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JOSEF FRANK
ZUM FORMPROBLEM
Die- uns hier interessierenden Gegenstände des Hausrates gehören ihrer
Art nach in weiterem Sinne dem Kunstgewerbe an und deshalb ist ihre
Forju der Mode und Geschmacksveränderung unterworfen. Die Form
ist uns in vielen Fällen wichtiger als die Qualität, ja selbst als die Brauch
barkeit und trägt auch oft zum Erfolg eines Gegenstandes viel mehr hei
als etwa besonders gute Ausführung, die über das Notwendige hinaus
geht. Beste Qualität verteuert den (iegenstand oft unnötig, und sie wird
oft geradezu unangenehm empfunden, wenn es .sich um Dinge handelt,
die in geschmacklicher Beziehung voraussichtlich bald überholt sein
werden: dies gilt in großem Maß von jeder Art moderner Dekoration, die
nie anders wie modisch sein kann. Gemusterte Stoffe zum Beispiel werden
immer weniger in haltbarer und dauerhafter Qualität erzeugt, sondern sie
werden durch gedruckten Kreton ersetzt, den wir nicht nur deshalb
veinvendcn, w'eil er billiger ist, sondern auch weil er uns besser gefällt.
Ldaersleigerte Qualität und Präzision an Unrechter Stelle sind heute ebenso
Kennzeichen protzenhafter Repräsentatioji wie ehemals der Dekor; das
bedeutet immerhin einen großen Fortschritt des sachlichen Denkens, denn
an Stelle der beabsichtigten Verteuerung durch Zutaten tritt wirkliche
Verbessermig.
Viele Gegen.stände w’aren ehemals in der handw'erklichen Zeit weit mehr
typi.siert als heute, zum Beispiel Türklinken und ähnliches, w^eil es in der
\orkunstgewerblichen Zeit nicht so viele Menschen gab, die sich mit ihnen
be.schäftigcn mußten. Unsere Zeit hat viel Überfluß an Kunstgewerblern
und deshalb werden zahllose Versuche gemacht, abseits vom Gebrauchs
wert immer neue Formen zu finden, die mehr oder weniger individuelle
M'ünsche befriedigen w'ollen. Man mag diesen Einbruch des Kimst-
gewerhes in das Handwerk bedauern, da es zweifellos viel Gutes ver
nichtet hat, es wäre aber sicherlich nie dazu gekommen, wenn das Hand
werk um diese Zeit noch genügend geistige Kraft gehabt hätte. Ini
handwerklichen Zeitalter waren große Ehiterschiede im Bereich eines
Gegenstandes nicht notwendig und es konnten sich leichter Typen aus-
hilden: denn jedes einzelne Stück, individuell hergestellt, war von dem
anderen verschieden und formale Unterschiede drückten sich in geringen
Variationen aus; Feinheiten entschieden den Wert und Unwert des
einzelnen Gegenstandes, aber der Typus blieb gew’ahrt. Die maschinelle
Herstellung verlangt Ma.sscnerzeugung, und ein jeder, der sich entschließt,