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WALTHER SOBÜTKA
Dl^R GUTE GEGENSTAND
UND DIE WEGE ZU SEINER
VERBILLIGUNG
Es liegt im Wesen jeder Entwicklung, daß sie einmal einen Stand erreicht,
an dem eine Entwirrung nötig wird, an dem man lunwegc und Sackgassen
Irüherer Versuche üherhlickt. und an einem kritischen Wendepunkt der
Entwicklung, an dem sie einen Irrweg eingeschlagen hatte, nochmals und
von neuem beginnen möchte.
So kann man zum Beispiel das 19. Jahrhundert dafür verantwortlich
machen, daß es die Bedeutung der neu erfundenen Maschinen verkannt
und ihre Möglichkeiten in formaler Hinsicht nur zu Nachahmungen und
I'älschmigen ausgenützt, daß cs aus Freude über seine eigene Vielfältig
keit und seine Kenntnisse vor nichts haltgemacht hat und so mit seiner
lalmierzeugung alles zerstört und verwirrt habe. Mit diesen Sünden hat
sich die Industrie beladen, dann kam die revolutioinäre Bewegung der
Künstler! Man kann der daraus entstandenen kunstgewerblichen Richtung
ebenso Vorhalten, daß sie auf einen falschen W'eg geraten sei und dem
Handwerk zu einer vorühergehenden Nachhlüte verholfen, der Industrie
aber keine gangbaren WTge gewiesen habe. Eine bestimmte Berufsgruppe
mit rein wirtschaftlicher oder rein ästhetischer Tendenz konnte eben das
Problem nicht lösen, sondern nur zeitweise die Situation beherrschen.
Lnscr Kulturleben ist so kompliziert und ist einem räumlichen Raster
vergleichbar, dessen Felder sich durch die dritte Dimension ins Ungeheure
steigern. Aus dem engen Gc.sichtspunkl einer Kolonne dieses Systems
kann man nie den ganzen Raum erfassen.
Nun hat sich eine neue Gruppe von Menschen eine Plattform geschaffen
und erklärt, daß sie zur Lösung berufen sei;
Die modernen Architekten wollen nicht mehr als Künstler, sondern als
schaffende Menschen überhaupt, mit dem Rüstzeug der Wissenschaft
ausgestattet, von allen Seiten die selbstgestellte .Aufgabe angehen. Sie
haben damit begonnen, ein neues Weltbild aufzurichten, das aus ästhe
tischen, technischen, wirtschaftlichen und soziologischen Forderungen
konstruiert, einen Idealzustand darstellt. Im Gegensatz zu allen früheren
Methoden i.st hier alles bewußt auf die Zukunft und aufs Ganze gerichtet
und auch die Menschen, die als Träger dieser Kultur gedacht sind, sind
.Menschen einer neuen Generation, die alle von der gleichen W'elt-
an.schauung erfüllt sein sollen.