KUNSTHANDWERK NEUSEELAND
Neuseeland ist ein sehr altes Land. Es tauchte vor ca.
einhundertzwanzig Millionen Jahren aus den Fluten
des Südpazifik auf, versank wieder im Meer und
erhob sich erneut aus dem Wasser, um Land zu
werden. All dies geschah auf Grund von
Naturgesetzen in unvorstellbaren Zeiträumen. Das
Zeitalter der Saurier ging zu Ende, und auch die
Eiszeit war eines Tages vorüber. Während andere
Länder nun eine Fauna fleischfressender Tiere
hervorbrachten, beherbergte dieses Land bis zur
Ankunft des Menschen vor knapp tausend Jahren nur
Vögel und Fische, ein harmloses Überbleibsel der
Dinosaurier, den Tuatara, zwei winzige
Fledermausarten und eine Anzahl kleiner fliegender
und kriechender Wesen. Es gab keine Menschen,
keine Fleischfresser, keine Schlangen; nur riesige
dunkle Forsten, in denen der Gesang der Vögel hohl
klang, weite Ebenen, ragende Gebirge, Seen und
Flüsse.
Fleute leben drei Millionen Menschen in
Neuseeland, von denen ungefähr acht Prozent von
den Maoris abstammen; ca. 90 Prozent sind
britischer Herkunft. Es gibt kleine Volksgruppen aus
fast allen europäischen Ländern, den pazifischen
Inseln und Asien. Der kulturelle Hintergrund ist bei
den meisten noch deutlich erkennbar, und die
meisten bewahren bis zu einem gewissen Grade auch
ihre rassische Identität. Jeder fünfte Neuseeländer
lebt in ländlichen Gebieten, wo man sich mit der
Landwirtschaft und verwandten Tätigkeiten befasst.
Die restliche Bevölkerung lebt in kleineren und
grösseren Städten.
Die ersten Menschen, die dieses Land sahen, waren
Polynesier, die Vorfahren der heutigen Maoris. Vor
tausend oder mehr Jahren tauchten sie an diesen
Küsten auf und brachten ihre Handwerke oder
zumindest die dafür benötigten Kenntnisse und
Fertigkeiten mit. Diese Handwerke mussten sogleich
auf Grund der neuen Materialien, die sie vorfanden,
umgestellt werden. Ein reicher Vorrat an Fasern von
einer hanfartigen Pflanze (Phormium tenax) erwies
sich als ideal für Seile, Netze, Matten, Körbe und
Kleidung. Das Weben auf Webstühlen hatten sie
entweder in ihrem Heimatland aufgegeben oder nie
gekannt. Statt dieser Webart entwickelten sie eine
Fingerwebtechnik, bei der die Kettfäden von einer
zwischen zwei vertikalen Hölzern befestigten Schnur
herunterhingen und bei der der Schussfaden
zunächst einfach und später doppelt um jeden lose
herunterhängenden Kettfaden gewickelt wurde.
Manchmal wurden Vogelfedern in jeden Webknoten
mit eingewoben, um einen Mantel wärmer und
hübscherzu machen.
Bis zur Ankunft der Europäer waren die Bewohner
Neuseelands Steinzeitmenschen, die im Lande
Steinarten vorfanden, aus denen sich Schneide- und
Schnitzwerkzeuge und auch Waffen hersteilen
Hessen. Es gab ausserdem eine Jadeart, Nephrit, die
sie mit einem Gegenstand von der Schärfe einer
Rasierklinge bearbeiten konnten. Daraus wurden eine
Reihe persönlicher Schmuckstücke wie Tikis,
Pekapekas und andere Anhänger sowie Äxte und
Meissei gemacht.
Es gab hohe Bäume in grosser Zahl, und zwei
davon, der Kauri und der Totara, lieferten ideales
Holz zum Schnitzen. Die Eingeborenen machten
daraus riesige Kanus, die manchmal eine Länge von
30 m hatten und kunstvoll geschnitzte Bug - und
Heckteile sowie wunderbar lebendige Skulpturen von
Vorfahren und Göttern in Flachrelief aufwiesen.
Solche Schnitzereien wurden auch an Gebäuden wie
Lagerhäusern und Versammlungshäusern
angebracht. Sie fanden sich auch auf kleineren
Gegenständen wie Keulen und Speeren, Rudern,
landwirtschaftlichen Werkzeugen, Kisten und
Schüsseln.
Der Stil des Maori-Handwerks war innerhalb
Neuseelands sehr unterschiedlich. Er reflektierte die
Tradition des jeweiligen Heimatlandes sowie die
gesonderte Entwicklung jedes mehr oder weniger
isoliert lebenden Stammes. Dieser langsame Wandel,
der dem Handwerk überall in der Welt eigen ist,
wurde durch das Eindringen europäischer Kultur im
frühen 19. Jahrhundert stark beschleunigt, was
schliesslich zur Zerstörung des überwiegenden Teils
der alten Künste und Handwerke führte.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts landeten