Das bürgerliche Wohnhaus.
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Wohl mag es nicht befonders behaglich gewefen fein, im Sommer in den Strafsen
zu wandeln, die fo eng aneinander ftiefsen, dafs fich die zahlreichen Erkei und
Vorfprünge faft berührten, unter den vier und fünf Stock hohen Häufern, die von
einem immer bedenklicheren Volke bewohnt wurden, je höher das Stockwerk
und je billiger dem entfprechend die Miethe war, und die von den Häuferfpecu-
lanten und den von ihrer Hausmiethe lebenden Herren des alten Roms fo gebaut
waren, dafs man neben den zahlreichen Feuersbrünften auch von ebenfo viel
Hauseinftürzen reden hörte. Erft nach Neros Brandlegung wurde es beffer und
entftand jenes glänzende Rom, das Strabo fo begeiftert befchreibt, und von dem
Amian erzählt, dafs Kaifer Conftantin, als er im Jahre 337 es zum erften Male
fah, ftumm vor Bewunderung wurde. „Wohin auch fein Auge fich wandte, iah ei
fich von dem dichten Gedränge der Wunderwerke geblendet.“ Und in diefer
Stadt wogten in ewigem Gedränge i 1 / 2 Millionen Menfchen hin und wieder, un
in dem unerfchöpflichen Schaufpiele von Kaufhallen, Läden und Magazinen konnte
man, wie Plinius fagt, die Güter der ganzen Welt in der Nähe prüfen. Da aber
vertrieb, wie lange vorher, das wiifte Leben den Reichen aus der Stadt, um im
behaglichen Genufle feiner Villa des Landes fich zu freuen. Den Armen über
drängten damals fchon die Koftfpieligkeit des Lebens und die koloffalen Miethpreife
in beftändigem Wohnungswechsel weit an die Enden der Stadt und darüber hinaus.
Zu Cäfar’s Zeit waren dieMiethen in Rom vier Mal höher, als in den übrigen Städten
Italiens, und Juvenal behauptet, dafs man in Sora, Fabrateria oder Frufino ein
Haus mit Garten für eine Summe kaufen konnte, die man in Rom für eine finftere
Jahreswohnung zahlte. Ein langes Jahrtaufend vor uns alfo lebten in anderer
Cultur, in anderer Staats- und Wirthfchaftsordnung die Menfchen die gleiche
Noth durch, die wir heute leben, und galt der Satz, der heute gilt, dafs man die
Hälfte des Lebens vergeudet, um die andere Hälfte annähernd ungeftört zu
geniefsen. ' ,
Kehren wir auf den Ausgangspunkt unferer gefchichtlichen Grund
züge zurück. .
Wie das Leben des Menfchen im Uranfange feiner Gefchichte von den
vorhandenen Lebensmitteln abhängig war, fo lebte er felbft auch unftät und nicht
an den feften Wohnfitz gebunden.
Der breitblätterige Baum mag ihm damals Schutz und Bedachung, in anderer
Gegend der Fels und die Felfenhöhle das Mittel der Umzäunung und Verbergung
gegeben haben. Die Behaufung war der einfache Charakter feines Wohnens
Einer fpäteren Zeit und reicheren Cultur war vielleicht der Baum das V orbild
des Zeltes und die natürliche Höhle das Vorbild des Haufes. Die Araber mit
ihrem beweglichen Jäger- und Kriegerleben find heute noch wie vor langen Jahr
hunderten Zeltbewohner. , ..
In Amerika, Afrika und Afien begegnen wir unter den wilden und halb
civilifirten Stämmen noch den Höhlenbewohnern. Es find Stämme, die in einer
geordneten wirthfchaftlichen Arbeit noch nicht an die Scholle feftgebunden find.
Und das Leben ohne Arbeit ift dauernd bedingt und abhängig von den Nahrungs-
mittein, die der Menfch fucht und findet. Erft mit der Sefshaftigkeit und Anfäffig-
machung entfteht auch ficher das Wohnhaus des Menfchen. _ ,
Neben der Scholle, die er bebaut, fertigt er das Zelt durch Holz- und Erd
wände, erhebt er die Höhle über den Boden und baut gleichfalls zuerft aus Holz
und in einer fpäteren Periode erft aus Stein das Haus und die Hütte, die ihm nun
nicht mehr blos Schutz und Zufluchtftätte ift, fondern der Vereinigungspunkt
feines Lebens und feiner Wirthfchaft.
So weit unfere hiftorifche Kenntnifs reicht, finden wir den Menfchen fchon
mit dem Wohnhaufe verbunden. Das Klima entfcheidet über feine Bau-Art, die
Lebensweife und öffentliche Ordnung über feine innere Geftaltung^ Leichtes
Fachwerk bildet die Häufer Perfiens und Egyptens in den alterten Zeiten und
Jofephus erzählt in feiner Gefchichte des jüdifchen Krieges, dafs die Römer bei