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Volltext: Das bürgerliche Wohnhaus (Gruppe XIX). Die nationale Hausindustrie (Gruppe XXI). Darstellung der Wirksamkeit der Museen für Kunstgewerbe (Gruppe XXII) - Officieller Ausstellungs-Bericht

Das bürgerliche Wohnhaus. 
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Wohl mag es nicht befonders behaglich gewefen fein, im Sommer in den Strafsen 
zu wandeln, die fo eng aneinander ftiefsen, dafs fich die zahlreichen Erkei und 
Vorfprünge faft berührten, unter den vier und fünf Stock hohen Häufern, die von 
einem immer bedenklicheren Volke bewohnt wurden, je höher das Stockwerk 
und je billiger dem entfprechend die Miethe war, und die von den Häuferfpecu- 
lanten und den von ihrer Hausmiethe lebenden Herren des alten Roms fo gebaut 
waren, dafs man neben den zahlreichen Feuersbrünften auch von ebenfo viel 
Hauseinftürzen reden hörte. Erft nach Neros Brandlegung wurde es beffer und 
entftand jenes glänzende Rom, das Strabo fo begeiftert befchreibt, und von dem 
Amian erzählt, dafs Kaifer Conftantin, als er im Jahre 337 es zum erften Male 
fah, ftumm vor Bewunderung wurde. „Wohin auch fein Auge fich wandte, iah ei 
fich von dem dichten Gedränge der Wunderwerke geblendet.“ Und in diefer 
Stadt wogten in ewigem Gedränge i 1 / 2 Millionen Menfchen hin und wieder, un 
in dem unerfchöpflichen Schaufpiele von Kaufhallen, Läden und Magazinen konnte 
man, wie Plinius fagt, die Güter der ganzen Welt in der Nähe prüfen. Da aber 
vertrieb, wie lange vorher, das wiifte Leben den Reichen aus der Stadt, um im 
behaglichen Genufle feiner Villa des Landes fich zu freuen. Den Armen über 
drängten damals fchon die Koftfpieligkeit des Lebens und die koloffalen Miethpreife 
in beftändigem Wohnungswechsel weit an die Enden der Stadt und darüber hinaus. 
Zu Cäfar’s Zeit waren dieMiethen in Rom vier Mal höher, als in den übrigen Städten 
Italiens, und Juvenal behauptet, dafs man in Sora, Fabrateria oder Frufino ein 
Haus mit Garten für eine Summe kaufen konnte, die man in Rom für eine finftere 
Jahreswohnung zahlte. Ein langes Jahrtaufend vor uns alfo lebten in anderer 
Cultur, in anderer Staats- und Wirthfchaftsordnung die Menfchen die gleiche 
Noth durch, die wir heute leben, und galt der Satz, der heute gilt, dafs man die 
Hälfte des Lebens vergeudet, um die andere Hälfte annähernd ungeftört zu 
geniefsen. ' , 
Kehren wir auf den Ausgangspunkt unferer gefchichtlichen Grund 
züge zurück. . 
Wie das Leben des Menfchen im Uranfange feiner Gefchichte von den 
vorhandenen Lebensmitteln abhängig war, fo lebte er felbft auch unftät und nicht 
an den feften Wohnfitz gebunden. 
Der breitblätterige Baum mag ihm damals Schutz und Bedachung, in anderer 
Gegend der Fels und die Felfenhöhle das Mittel der Umzäunung und Verbergung 
gegeben haben. Die Behaufung war der einfache Charakter feines Wohnens 
Einer fpäteren Zeit und reicheren Cultur war vielleicht der Baum das V orbild 
des Zeltes und die natürliche Höhle das Vorbild des Haufes. Die Araber mit 
ihrem beweglichen Jäger- und Kriegerleben find heute noch wie vor langen Jahr 
hunderten Zeltbewohner. , .. 
In Amerika, Afrika und Afien begegnen wir unter den wilden und halb 
civilifirten Stämmen noch den Höhlenbewohnern. Es find Stämme, die in einer 
geordneten wirthfchaftlichen Arbeit noch nicht an die Scholle feftgebunden find. 
Und das Leben ohne Arbeit ift dauernd bedingt und abhängig von den Nahrungs- 
mittein, die der Menfch fucht und findet. Erft mit der Sefshaftigkeit und Anfäffig- 
machung entfteht auch ficher das Wohnhaus des Menfchen. _ , 
Neben der Scholle, die er bebaut, fertigt er das Zelt durch Holz- und Erd 
wände, erhebt er die Höhle über den Boden und baut gleichfalls zuerft aus Holz 
und in einer fpäteren Periode erft aus Stein das Haus und die Hütte, die ihm nun 
nicht mehr blos Schutz und Zufluchtftätte ift, fondern der Vereinigungspunkt 
feines Lebens und feiner Wirthfchaft. 
So weit unfere hiftorifche Kenntnifs reicht, finden wir den Menfchen fchon 
mit dem Wohnhaufe verbunden. Das Klima entfcheidet über feine Bau-Art, die 
Lebensweife und öffentliche Ordnung über feine innere Geftaltung^ Leichtes 
Fachwerk bildet die Häufer Perfiens und Egyptens in den alterten Zeiten und 
Jofephus erzählt in feiner Gefchichte des jüdifchen Krieges, dafs die Römer bei
	        
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