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Jofef Migotti.
gedeihen bei einem Durchfchnitts-Temperaturunterfchiede von 43 Grad Celsius,
wenn diefe Differenz durch entfprechende Bekleidung ausgeglichen wird.
Weitaus das gediegenfle jedoch brachte Wien, der Hauptfitz der Kinder-
fchneiderei. Esherrfchte in diefer Branche ein allgemeiner Wetteifer, die Produdle
des Fleifses und der Induftrie zur Geltung zu bringen. Von 15 Ausftellern aus
Wien wurden über 200 Kinderanzüge exponirt.
Einen befriedigenden Eindruck auf den Beobachter machte die Zweck-
mäfsigkeit der Stoffe und Mannigfaltigkeit der Formen; es zeigte fich das für
den Kinderfreund erfreuliche Beflreben, Schnitt und Form dem Alter und der
Gröfse und, was befonders beachtenswerth, dem Klima und der Witterung anzu
paffen; da diefs für das Wohlbefinden der kleinen Weltbürger von eingreifender
Bedeutung ift, und in der rationellen Bekleidung derfelben eben ein Theil ihrer
künftigen Gefundheit liegt.
Der Hoflieferant Herr Carl H o firi a n n brachte hochfeine Kinderkleider
und Wäfche zur Schau, welche meifl mit der Hand gearbeitet, nach befonderen
Modellen angefertigt, die felbflftändige Wiener Kindermode in würdiger Weife ver
traten. Hervorragend waren zwei Prachtflücke von Kinder-Tragmäntel, beide fein
mit Soitas benäht, der Eine von weifsem Piquet mit Guipure-Stickerei, der Andere
von Cachemir mit weicher Seidenbefranzung.
Die Colledtivausftellung der Schneidergenoffenfchaft wiefs mehrere Num
mern von Kinder- und Knabenkleidern auf; die Erzeugniffe der zwei Firmen
J. Kral und Franz Maly find namentlich hervorzuheben, dafie durch reine Arbeit,
gefällige Form und vorzüglichen Schnitt dem Wiener Gewerbefleifse zur Ehre
gereichen.
Die vom Etabliffement S. Lövy ausgeftellten feinen Knabenkleider ver
dienen wegen der zweckmäfsigen Wahl der Stoffe, und corredter Ausführung der
Arbeit befondere Beachtung, fie zeigten regen Fortfehritt und guten Gefchmack.
Grofsartig war die Ausftellung der Exporteure. Die bedeutendften derfelben
Schwarzmann, Mandl, Grünbaum, Kaffovitz etc. haben eigene Locale
in welchen die zum Export befümmten Stücke nach Normalmafsen zugefchnitten
und an die Arbeiter begeben werden. Dadurch, dafs die etwaigen Fehler auch im
fertigen Zuftande leicht abgeändert werden können, eignen fie fleh vollkommen
zum Export.
Derfelbe hat heute einen riefigen Umfang erreicht und ift in fletiger Zu
nahme, der Orient ift die Haupt-Abfatzquelle; von den fertigen, auf dem Lager gehal
tenen grofsen Maffen werden regelmäfsige Sendungen über die Zollgrenze fpedirt.
Die Stappelplätze find: Bukareft, Ibraila, Odeffa, Conftantinopel, New-York,
von welchen Plätzen aus Serbien, Rumänien, die Türkei, Griechenland, derfüdliche
Theil von Rufsland und Nordamerika mit diefem Wiener Fabricate verfehen
werden.
Der Abfatz wird durch den Drang der orientalifchen Völkerfchaften nach
abendländifcher Kultur und Aneignung der europäifchen Sitten und Gebräuche
befonders begünfligt, und von der Zweckmäfsigkeit und Billigkeit, wodurch fleh
diefe Importwaare von den orientalifchen Prunkgewändern der Kinder vortheil-
haft unterfcheiden, wefentlich unterflützt; dennoch mufsten jahrelange Verfuche
gemacht werden, um diefen Handel, welchem die damals noch ungeregelten
Gefetzverhältniffe jener Länder, die hohen Schutzzölle und traditionellen Vor-
urtheile hindernd im Wege ftanden, Eingang und Anerkennung zu verfchaffen.
Die Ausfuhr bei den gröfseren hiefigen Firmen im Jahre 1872 betrug:
bei Schwarzmann
„ Mandl
Grünbaum .
„ Kaffovitz
„ Tedesko
11.000
8000
23.000
26.000
25.000