J. Max Hirfch. Rauh- und Kürfchnerwaaren.
15
Die Veranfchaulichung diefes Welthandels durch eine iiberfichtlich geord
nete, ftatiflifch erläuterte Zufammenftellung der verfchiedenen Pelzthier-Gattungen
war umfo gewiffer zu erwarten, afs viele große deutfche (Leipziger) und auch
manche Wiener Häufer Stets mit allen exiftirenden Pelzfellen fortirt find; dennoch
vermifsten wir mit Bedauern eine derartige lehrreiche, grofse Ausstellung, die
gewifs alle Fachleute freudig begrüfst hätten und welche auch dem Laien von
Intereffe gewefen wäre, denn er hätte bei Namhaftmachung des Urfprunges der
Felle fich die Mähen und Gefahren vergegenwärtigen können, mit denen die Jagd
der Millionen von Pelzthieren verbunden ift, und er hätte der Kürfchner-
induftrie gewifs erhöhte Aufmerkfamkeit zugewendet für die oft erftaunliche Um
wandlung des meifl unanfehnlichen rohen Felles zum fchönften fertigen Pelzftück.
Wohl fanden wir, wenn auch zerftreut, in der Ausstellung viele der zur
Verarbeitung gelangenden Pelzfelle und werden auf diefe wie auch auf die vielen
fchönen Kürfchnerwaaren zurückkommen, wir halten es aber auch in dem Rahmen
diefes Auffatzes paffend, zu bemerken, woher und in welcher Menge die verfchie
denen Pelzfelle kommen und wohin fie hauptfächlich ihre Richtung nehmen,
wobei wir bezüglich der amerikanifchen Waaren die an deren Verkaufsftellen, d. i.
bei den Londoner Auktionen amtlich notirten Verzeichniffe zur Grundlage nehmen
und ferner uns auf die Autorfchaft des beftens verfirten und hiefür mafsgebendflen
Rauhwaaren-Händlers Herrn Heinrich Lomer in Leipzig ftützen, dem wir auch
viele intereffante Daten und Rückblicke auf den Handel mit Pelzwaaren und deren
Verbrauch in den vergangenen Jahrhunderten verdanken.
Diefe erftrecken fich wohl weniger auf den europäifchen Handel, da es
darüber keine Aufzeichnungen gibt; bekannt ift nur, dafs Deutfchland bereits im
erften Decennium des XVII. Jahrhunderts mit Rufsland und mit Schweden Pelz
handel trieb, welcher gegen Ende des vorigen Jahrhunderts an Dimenfionen
gewann; von da ab nahmen ruffifche Waaren ihren Weg überall hin über Breslau
und Leipzig und namentlich letztere Stadt verftand es, der Binnenplatz für den
europäifchen Markt zu werden ; England kaufte hier ruffifches Pelzwerk und expor-
tirte dahin amerikanifches, Mitteleuropa dirigirte feine Produdle nach diefer
Stadt, wo fich Käufer und Verkäufer von allen Weltgegenden zufammenfanden
und da beide Theile ihren Nutzen gewahrten, fo gedieh der Leipziger Mefs-
handel zu voller Blüthe und entfaltet fich von Jahr zu Jahr fortfehreitend.
Den Verbrauch von Pelzwaaren in Europa betreffend, läfst fich annehmen,
dafs er fchon in frühefter Zeit ein bedeutender war; England und Frankreich
importirten fchon vor 250 Jahren von ihren amerikanifchen Befitzungen Pelzfelle,
und von Deutfchland wie auch von Oefterreich wiffen wir, dafs das Kürfchner-
gewerbe da uralt ift; wir wiffen auch, dafs in der Vorzeit Pelzthiere allerwärts
häuften, deren Felle zur Pelzbereitung verwendet wurden. Wohl mufsten gröfsere
Raubthiere, als Bären, Luchfe, Wölfe, der fortfehreitenden Cultur weichen und es
gibt jetzt in Europa in gröfseren Mengen nur nochFüchfe, Marder, Iltiffe und wilde
Katzen, doch wird der Ausfall an eigenen Produkten durch ruffifche, fchwedifche
und dann auch amerikanifche gedeckt.
. Mit der durch beffere Communicationen ermöglichten leichteren Befchaffung
fremdländischer Waaren, mit dem überall anwachfenden National-Reichthum und
mit der fteigenden Beliebtheit, deren fich Pelzwerk als beftes und dauerhaftestes
Winterkleid erfreute, entwickelte fich auch der Verbrauch von Rauhwaaren und
da es namentlich Amerika ift, welches hievon das mafsgebendfte Contingent zu
Markte ftellt, und weil in fpecieller Berückfichtigung der Wiener Weltausstellung
wir bei dem weit gröfsten Theile der fertigen Kürfchnerwaaren amerikanifches
Pelzwerk angewendet fallen, fo wollen wir uns vorerft mit Amerikas Pelzproduc-
tion und mit feinem Rauhwaaren-Handel befchäftigen.
Der amerikanifche Pelzhandel läfst fich bis zum Anfang des XVII. Jahr
hunderts zurück verfolgen; bereits im Jahre 1608 betrieb eine grofse franzöfifche