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Dr. Carl Theodor von Inama-Sternegg.
fo zubereiteten Zahlenreihen zu ziehen, ohne noch für die Theorie der National
ökonomie oder für die Culturgefchichte unmittelbar fördernde Refultate zu ge
winnen oder auch nur zu erftreben. Theils find das Paraphrafen gegebener
Preis daten mit Hinzufügung auf klärender und erläuternder, gefchichtlicher und
ftatiftifcher Daten, theils find es graphifche D arft ellung e n, welche das
aus folch reducirten Zahlenreihen gewonnene Bild in jene Form zu bringen ver-
fuchten, in welcher es am deutlichsten und eindringlichften zu dem Befchauer
fpricht und am bellen geeignet ift, Intereffe, Klarheit und Vergleichung zu beför
dern. In e r ft e r Beziehung mag aufser auf einige fchon früher befprochene
Werke (z. B. die „Rückblicke“ bei dem Operate über die Domäne Rothenhaus,
das Vorwort zu dem Operate des Baron Steiger etc.) besonders hingewiefen
werden auf Dr. E. Sch ebek’s Abhandlungen über die Domäne Elb o gen und
über den Haushalt an den Patronatskirchen des ritterlichen Kreuzherrn-
Ordens mit dem rothen Sterne zu Dobfichovic, Slivenec und Revnic im X\II.
und XVIII Jahrhundert (Catalog Beilage F und G). In der erften fchilderte er die
Zuftände der Domäne Elbogen während eines ausgesprochenen Nothjahres (1623,
nicht 1670 wie am Titel der Abhandlung fleht) und verfuchte an der Hand
der Original-„Geld- und Getreiderechnung“ den wahrhaft exorbitanten
Preifen diejenigen Preife als eine Art Regulativ entgegenzuftellen, zu welchen
auf diefer Domäne den Unterthanen die Waaren veranfchlagt wurden, eine Arbeit,
welche auch für die fpätere Bearbeitung der Preisgefchichte Böhmens nicht imbe-
rückfichtigt bleiben darf. Die zweite Abhandlung ift eine wahrhaft muftergiltige.
cultur- und wirthfchaftsgefchichtliche Ausbeutung aller Kirchenrechnungen (von
1617 in längeren oder kürzeren Zeiträumen bis 1766), welche, fo klein die Verhält-
niffe erfcheinen mögen, in denen fie fich bewegen, doch in Schebek s Bearbeitung
zu einem werthvollen Baufteine böhmifcher Wirthfchaftsgefchichte geworden und
geeignet find, auf fo manche Seite des Culturlebens des Volkes ein fchlagendes
Licht zu werfen.
Alle diefe erläuternden Arbeiten aber werden weit überragt von dem
grofsen Werke der Budapefter Handelskammer, auf das wir nun näher
eingehen müffen, nachdem wir darüber früher nur kurz berichtet haben.
Es ift ein grofsartiger, mit eben fo vielFleifs als Sachkenntnis gearbeiteter
Veijuch, die Platzverhältniffe des Pefter Landes-Productenmarktes, welche in den
Preistabellen ihren fchärfften und erfchöpfendften Ausdruck finden, in ihrer Be
deutung für die öfterreichifch-ungarifche Volkswirthfchaft nicht nur, fondern für
den grofsen Weltverkehr darzulegen; ein Unternehmen von um fo gröfserei; Wich
tigkeit und Bedeutung, als Peft das wichtigste von den Centren des weltbedeu
tenden ungarifchen Getreidehandels neben Raab und Siffek ift und befondeis auch
durch feine ausgebreitete Mühleninduftrie den hervorragendften Platz einnimmt,
und in diefer Hinficht verdiente das Werk wohl den heften vollftändig durch
gearbeiteten preisgefchichtlichen Unterfuchungen angereiht zu werden, als deffen
Endergebnifs von der Handelskammer felbft bezeichnet wird, dafs fich in dem ent
rollten 5 Bilde einerfeits der mit merkwürdiger Hartnäckigkeit immer wieder auf
genommene Verfuch zeige, Ungarn wirthfchaftlich mit einer chinefifchen Mauer
zu umgeben und ein Entwicklungsftudium zu conferviren, welches fich fchon längft
überlebt hatte; auf der anderen Seite das unaufhaltfame Herandrängen derCredit-
wirthfchaft an Verhältniffe, welche noch zu einem grofsen Theile den Charakter
nicht etwa der Geldwirthfchaft, fondern der reinen Naturalwirthfchaft tragen ;
endlich die leicht erklärliche, aber in ihren Folgen oft verderbliche Ungeduld
einzelner, den Uebergang aus dem Agriculturftaate in den Induftiieftaat, dei
fich nur langfam und ftufenweife vollziehen kann, zu überftürzen. Alles diefs
fcheint der wirthfchaftlichen Entwicklung Ungarns feit Anbeginn diefes Jahr
hunderts auf den erften Blick die Merkmale des Unberechenbaren aufzuprägen
und erfchwertinsbefondere die Wahrnehmung der Thatfache, die wir mit freudiger
Genugthuung als eine unzweifelhafte hingeftellt zu haben glauben, die Thatfache