Die Thonwaaren-Induftrie.
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Bedeutendes leiflete. Ein gleiches gilt von den Indiern, ja die Anfänge diefer
Kunfl laffen fich verfolgen bis in die Urwälder von Mexico und der füdamerika-
nifchen Völker.
Wie fo manche Kunftfertigkeit aber, fo gerieth auch die claffifch antike
Thonwaaren-Technik in Verfall, um erft wieder in Italien zu Ende des XIV. Jahr-
hundertes und fpäter in anderen Ländern zur neuen Blüthe zu erwachen.
Nur wenige Beifpiele von der Verwendung des Backileines alsRohbau lind
uns aus alter Zeit bekannt. Die gröfsten Bauten der Römer fowie deren Wohn-
häufer waren wohl aus Ziegeln gemauert, aber meitt verputzt. Das Theatrum
castrense und der Tempio del Dio redicolo bei Rom lind folche, auf uns über
kommene Ziegel-Rohbauten mit Terracotta-Gliederungen.
Von einem antik claffifchen Ziegel-Rohbauflil kann daher nicht die Rede
fein; ftets bot der gebrannte Thon in leicht handlicher Form zu einer minder kofl-
fpieligen, dem Effedle nach aber mit der Stein- oder Marmorarchitektur gleich
werthigen Bauweife die Hand.
Anders wurde es, als im Mittelalter die Thonwaaren-Induftrie Oberitaliens
neuerdings erblühte und der Ziegel als Erfatz des Baufleines angewendet wurde.
Anfänglich nur befcheiden hinter den Kalkmörtel gebunden, trat er fofort in feine
Rechte, als der kunftfertige Italiener des Mittelalters die trefflichen Eigenfchaften
des Materiales kennen und würdigen lernte. Die Sucht der Kiinttler der
fpäteren Gothik und der Frührenaiffance nach neuen Verfahrungsweifen und nach
einer Bereicherung der ihnen zu Gebote flehenden Rohmaterialien kam ihm bei
feinem Kampfe um Selbflfländigkeit wefentlich zu Statten.
Das Gleiche gilt von anderen Stoffen, von anderen technifchen Ver-
fahrungsarten, mit denen das gleichzeitige Kunil-Handwerk Italiens fich berei
cherte, die es entweder dem claffifchen Alterthume, geftützt auf etwa noch fort
lebende Traditionen, entnahm, oder die es in eigener genialer Conception zu
erdenken wufste.
In Venedig, dem Mailändifchen, vornehmlich aber in der Aemilia, blühte
der Ziegel-Rohbau und hinterliefs uns eine Reihe von Prachtbauten, reich, fafl
überreich decorirt mit Thonornament, das, dem Rohftoffe und feinen fpecififchen
Eigenfchaften volle Rechnung tragend, bei allen Gliederungen der Architektur,
meift flrenge im Stil gehalten, ausgeführt wurde, was übrigens nicht ausfchlofs,
dafs auch Steinornamente mit im Ziegel-Rohbau verwendet wurden. Bolognas
Bauten, wo grofse, aus Ziegeln aufgeführte Säulen reiche Sandflein-Capitäle tragen,
find hievon ein Beifpiel.
Zur höchften Entwicklung gelangte die Verwendung der Thonwaare zu
den Zwecken der Architektur in den Klofterhöfen und Kirchenfagaden.
Das reizendfte Bauwerk und das bekanntefte, die Höfe der Certofa bei
Pavia, mit den hervorfpringenden figuralen Medaillons (eine treffliche Nachbil
dung’ hievon im South-Kenfington-Mufeum in London) entflammt diefer Epoche
und das in fpät gothifcher Zeit erbaute Ospedale maggiore in Mailand, ein Werk
Filaretes, entwickelt in feinen zierlich gegliederten gothifchenFenflern die reichfte
und elegantefle Architektur, die aus diefem Materiale gedacht werden kann.
Der Palazzo Bevilaccpia in Bologna, der Palazzo della Scrofa in Ferrara
find berühmte Bauwerke, in denen die Backflein-Architektur bereits eine felbft-
iländige, aber der Ausdrucksweife des Materiales entfprechende Form gefunden
hat. Auch hier findet man nicht feiten und namentlich an den älteren Bauwerken
bunte Bemalung der Terracotta-Ornamente.
Aber nicht nur den Zwecken der Architektur wurde der gebrannte Thon
dienflbar gemacht, auch die Kleinkunfl bemächtigte fich diefes leicht zu behan
delnden plaflifchen Materiales.
Abgefehen von deffen Verwendung in der nationalen Töpferei, die dem
Thongefchirre zur allgemeinflen Verwendung verhalf, find uns viele Ausführungen
von Kunflgegenfländen aus jener Zeit erhalten: Kamine, Vafen, Grabplatten