MAK

Volltext: Die Thonwaaren-Industrie (Gruppe IX, Section 2), offficieller Ausstellungs-Bericht

Die Thonwaaren-Induftrie. 
7 
Bedeutendes leiflete. Ein gleiches gilt von den Indiern, ja die Anfänge diefer 
Kunfl laffen fich verfolgen bis in die Urwälder von Mexico und der füdamerika- 
nifchen Völker. 
Wie fo manche Kunftfertigkeit aber, fo gerieth auch die claffifch antike 
Thonwaaren-Technik in Verfall, um erft wieder in Italien zu Ende des XIV. Jahr- 
hundertes und fpäter in anderen Ländern zur neuen Blüthe zu erwachen. 
Nur wenige Beifpiele von der Verwendung des Backileines alsRohbau lind 
uns aus alter Zeit bekannt. Die gröfsten Bauten der Römer fowie deren Wohn- 
häufer waren wohl aus Ziegeln gemauert, aber meitt verputzt. Das Theatrum 
castrense und der Tempio del Dio redicolo bei Rom lind folche, auf uns über 
kommene Ziegel-Rohbauten mit Terracotta-Gliederungen. 
Von einem antik claffifchen Ziegel-Rohbauflil kann daher nicht die Rede 
fein; ftets bot der gebrannte Thon in leicht handlicher Form zu einer minder kofl- 
fpieligen, dem Effedle nach aber mit der Stein- oder Marmorarchitektur gleich 
werthigen Bauweife die Hand. 
Anders wurde es, als im Mittelalter die Thonwaaren-Induftrie Oberitaliens 
neuerdings erblühte und der Ziegel als Erfatz des Baufleines angewendet wurde. 
Anfänglich nur befcheiden hinter den Kalkmörtel gebunden, trat er fofort in feine 
Rechte, als der kunftfertige Italiener des Mittelalters die trefflichen Eigenfchaften 
des Materiales kennen und würdigen lernte. Die Sucht der Kiinttler der 
fpäteren Gothik und der Frührenaiffance nach neuen Verfahrungsweifen und nach 
einer Bereicherung der ihnen zu Gebote flehenden Rohmaterialien kam ihm bei 
feinem Kampfe um Selbflfländigkeit wefentlich zu Statten. 
Das Gleiche gilt von anderen Stoffen, von anderen technifchen Ver- 
fahrungsarten, mit denen das gleichzeitige Kunil-Handwerk Italiens fich berei 
cherte, die es entweder dem claffifchen Alterthume, geftützt auf etwa noch fort 
lebende Traditionen, entnahm, oder die es in eigener genialer Conception zu 
erdenken wufste. 
In Venedig, dem Mailändifchen, vornehmlich aber in der Aemilia, blühte 
der Ziegel-Rohbau und hinterliefs uns eine Reihe von Prachtbauten, reich, fafl 
überreich decorirt mit Thonornament, das, dem Rohftoffe und feinen fpecififchen 
Eigenfchaften volle Rechnung tragend, bei allen Gliederungen der Architektur, 
meift flrenge im Stil gehalten, ausgeführt wurde, was übrigens nicht ausfchlofs, 
dafs auch Steinornamente mit im Ziegel-Rohbau verwendet wurden. Bolognas 
Bauten, wo grofse, aus Ziegeln aufgeführte Säulen reiche Sandflein-Capitäle tragen, 
find hievon ein Beifpiel. 
Zur höchften Entwicklung gelangte die Verwendung der Thonwaare zu 
den Zwecken der Architektur in den Klofterhöfen und Kirchenfagaden. 
Das reizendfte Bauwerk und das bekanntefte, die Höfe der Certofa bei 
Pavia, mit den hervorfpringenden figuralen Medaillons (eine treffliche Nachbil 
dung’ hievon im South-Kenfington-Mufeum in London) entflammt diefer Epoche 
und das in fpät gothifcher Zeit erbaute Ospedale maggiore in Mailand, ein Werk 
Filaretes, entwickelt in feinen zierlich gegliederten gothifchenFenflern die reichfte 
und elegantefle Architektur, die aus diefem Materiale gedacht werden kann. 
Der Palazzo Bevilaccpia in Bologna, der Palazzo della Scrofa in Ferrara 
find berühmte Bauwerke, in denen die Backflein-Architektur bereits eine felbft- 
iländige, aber der Ausdrucksweife des Materiales entfprechende Form gefunden 
hat. Auch hier findet man nicht feiten und namentlich an den älteren Bauwerken 
bunte Bemalung der Terracotta-Ornamente. 
Aber nicht nur den Zwecken der Architektur wurde der gebrannte Thon 
dienflbar gemacht, auch die Kleinkunfl bemächtigte fich diefes leicht zu behan 
delnden plaflifchen Materiales. 
Abgefehen von deffen Verwendung in der nationalen Töpferei, die dem 
Thongefchirre zur allgemeinflen Verwendung verhalf, find uns viele Ausführungen 
von Kunflgegenfländen aus jener Zeit erhalten: Kamine, Vafen, Grabplatten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.