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Dr. Emil Teirich.
welche die englifchen Fabrikanten zu fordern fich für berechtigt halten und welche
namentlich für Decorationsftücke, für durch die Handdes Künftlers verfeinerte Waare
gelten, hat fich der Gefchmack auch bei uns diefen Erzeugniffen derKunftinduftrie
zugewendet und werden derlei Fayencen namentlich feit den letzten drei fahren
ner relativ ziemlich ftark und mit Erfolg importirt. Schon im Jahre 187t betru r
diefer Import bei 250.000 fl. bei einem Eingangszoll von durchfchnittlich 5 bis 6 fl!
pro 100 Pfund Wiener Gewicht. Eine eigentliche Stilrichtung diefer englifchen
Erzeugmffe anzugeben, lft nicht möglich. Im Allgemeinen leidet die für den Haus
gebrauch beftimmte Fayence, alfo Teller, Schüffeln, kurz das Gefchirre jeder Art
an denselben Uebel, mit dem die Gefäfsbildnerei überhaupt noch mehr oder weniger
zu kämpfen hat, fei es in der Porzellan-, fei es in der Steingut-Technik. Immer
wird noch oft in der Form gegen den Stil des Materiales felbft gefündigt, immer
noch nicht die Decorationsweife durch Malerei dem geformten Gegenftande ange-
S a , te r ~ ’ n kemem der beiden Fälle mitunter auf das nächftliegende praktifche
üedurfnifs Bedacht genommen.
Der Zeitraum zwifchen der letzten Weltausftellung vom Jahre 1871 und
heute ift wohl ein zu kurzer, um einen wefentlichen Umfchwung, um bedeutende
Nuancirungen in diefer Induftrie conftatiren zu können. Nach wie vor geht das
Strebender beften Fabrikanten darauf hinaus, nach alten Muftern zu copiren
wenn auch oft fo, dafs gewiffe Formen und Farben der gewohnten Technik zurecht
gelegt werden.
w Eine folche Sucht der Imitation macht die Ausfüllung eines Minton der
Worcefter-Fabrik oder eines Copeland geradezu zu einem bunten Gewirre aller
Stilarten und Ausfuhrungsweifen der vergangenen Stilepochen, ohne dafs wie
gelagt, immer deren urfprünglicher Charakter gewahrt bliebe. Diefs bezieht fich
auf die feine, in England mit den höchften Preifen bezahlten Luxuswaare.
Eine andere, von allen Fabrikanten mit nur geringeren Variationen
angenommene Richtung fpricht fich in jenen Fayencen oder Majoliken aus, die al’s
allgemein übliche Decorationftücke vornehmlich zu gelten, die fich aus der
Imitation der italienifchen Robbia und Paliffywaaren herausgebildet haben und
die fich bald mehr der einen, bald der anderen Technik hinneigend, ineift’ aber
von Pahffy’s Naturalismus arg beherrfcht find.
Diefen mildernd und überhaupt die ganze Stilrichtung veredelnd wirkte
in letzterer Zeit der Orient auf die englifche und auch die franzöfifche Thon-
waaren-Induftrie ein. Und das orientalifche Element ift neben den beiden fchon
genannten italienifchen und altfranzöfifchen Decorationsweifen heutzutage wefen f -
hch beftimmend für die künftlerifche Ausftattung aller keramifchen Produtfte Diefs
kann beim onentalifchen Stile natürlich nicht von der Formgebung gemeint fein
denn der Orient hört fofort auf, muftergiltig zu bleiben, wenn er beginnt, Plaftik
zu treiben. Nur in der Decoration der Fläche ift er ein guter Lehrmeifter. Damit
ift nicht gefagt, dafs nicht auch viele orientalifche Formen, namentlich inderengli
fchen Thonwaaren-Induftrie Verwendung finden. Die Ausfüllung brachte hievon
fogar Vieles, zeigte aber auch, wie vorfichtig und mafsvoll mit diefen Motiven
wlI i hfchaften ift. Vorzüglich fanden wir an Decorationsftücken folche
JMilsgrme.
In ihrer Eigenfchaft als Ziergegenftände ift es ziemlich fchwierig
allgemeine Grundfätze zur Beurtheilung jener Formen aufzuftellen , die nur feite”!
an gewiffe Gebrauchszwecke gebunden find. Hier vermag auch nicht die Rege:,
es müffe die Nützlichkeit der Schönheit vorangehen, leitend für unfer Urtheil zu
fein, wie diefs zum Theile wenigftens bei Gegenftänden des Hausgebrauches
angeht.
Zwar lehnen fich die Erzeugniffe der Majolica und Paliffy technifch faft
ftets an die Form eines Hausgeräthes an, Candelaber, Schüffeln und Aehnliches
werden dargeftellt, aber nie mit der Intention, wirklich jemals als folche zu dienen.
Die Credenz, der Kamin, das Wohnzimmer bleibt ihr dauernder Platz im Haushalte'