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Volltext: Die Thonwaaren-Industrie (Gruppe IX, Section 2), offficieller Ausstellungs-Bericht

Die Thonwaaren-Induftrie. 
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mehr ift, die tüchtig gefchulten Kräfte zerfplittert, die unter dem Einfluffe einer 
fafl anderthalb Jahrhunderte dauernden gefchäftlichen Thätigkeit und den alten 
Kunfttraditionen, wenn auch durch fchlechte Leitung nicht richtig ausgenützt, 
doch das Materiale zu einer äufserft erfpriefslichen Thätigkeit hätten abge 
geben. 
Freilich wird der begangene Fehler, wenn auch nur ftillfchweigend, zuge 
geben und man trifft eben jetzt Anftalten zur Gründung einer keramifchen Ver- 
fuchsftation als Appendix des öfferreichifchen Mufeums. Hoffen wir, dafs die 
richtigen Kräfte dort herangezogen werden, denn wir werden hier bald fehen, 
dafs die öfterreichifche Gefäfsbildnerei derfelben dringend bedarf. 
Das gleiche Schickfal der Auflöfung hätte beinahe das um 1738 vom Mar 
quis de Fuloy gleichfalls aus Privatmitteln in dem Schlofs zu Vincennes errichtete 
und 1750 nach Skvres verlegte Etabliffement getroffen, das erft zu jener Zeit vom 
Staate durch die „Fermiers generaux“ übernommen wurde. Der Kataftrophe von 
1870 konnte diefe alte und vielberühmte Fabrik nicht widerftehen, fie fank fall 
gänzlich in Trümmer und begrub darunter Schätze, die zum Theile nicht wieder 
gefördert worden find. 
Aber mit feltener Energie und in richtiger Erkenntnifs der Nothwendigkeit 
des Fortbeflandes eines fo hochwichtigen Kunftinftitutes arbeitete man an der 
Reconftrucftion der zerftörten Fabrik, die auf der diefsjährigen Ausftellung wieder 
mit neuen Erzeugniffen aufzutreten vermochte. 
England machte fich den damaligen vorübergehenden Vorfall von Skvres 
zu Nutzen und nahm die bellen Kräfte der Fabrik mit Freuden auf. So fahen 
wir im Jahre 1871 bei Minton fchon aufser St. Arnoux noch Leffore, Mouffile und 
andere Künftler erften Ranges thätig. 
Dort freilich wird nach Böttcher’s Erfindung nicht gearbeitet. England 
verwendet zu feinen Ausführungen die Grundmaffe des weichen Porzellans, das, 
unabhängig von dem harten und ganz verfchieden von deffen Zufammenfetzung, 
fchon in Italien um 1581 bekannt war und fpäter um 1671 durch einen Dr. Dwight 
in Fulham eingeführt wurde. Die Sucht , das importirte chinefifche Produdl 
imitiren zu können, führte auf die Entdeckung des weichen Porzellans viel 
früher als auf die des harten. 
Kaolin, das ausgewafchene Verwitterungsprodudl des Feldfpaths in fall 
chemifcher Reinheit, und das Muttergeflein desfelben, der Feldfpath felbft, beide 
in den verfchiedenften Mifchungsverhältniffen geben die Grundmaffe des harten 
Porzellans und erfordern zur Anregung ihrer Verbindung zu einem neuen eigen- 
thümlichen Körper eine der höchften Temperaturen, die in unferer Indultrie 
Verwendung finden. Bei folcher Hitze fintert die Mifchung zu einer rein weifsen, 
kryltallinifchen, allen Agentien höchft widerftandsfähigen Maffe, die den Tem- 
peraturswechfel erträgt und von bedeutender Härte und Klang ift. 
Die Glafur befteht im Wefentlichen aus den Stoffen der Grundmaffe, aber 
in geänderten Verhältniffen. Sie erfordert fall die gleiche Temperatur wie das 
Bisquit zum Brennen, und da nur wenige Farben bei folcher Temperatur Stand 
zu halten vermögen, wird es meiftens nöthig, ober der Glafur erft zu malen und 
die Farbe an der Muffel einzubrennen. Viel complicirter ift die Zufammenfetzung 
des weichen Porzellans. Eine Reihe von mehr oder minder feuerbeftändigen 
Thonen, Kaolinen von kalkhältigen Maffen , werden meift zu einem Gemenge 
verarbeitet, das fich durch einen Zufatz von phosphorfaurem Kalk gewöhnlich in 
Form von Knochenafche charakterifirt, welch’ letzterer Zufatz die Schmelzbarkeit 
erhöht, die Maffe diaphan und milchig weifs macht. 
Solches „weiches“ Porzellan ift dann freilich leichter zu brennen, erfordert 
geringere Hitze und legt namentlich der plaftifchen Decoration die geringften 
Schwierigkeiten in den Weg. Die Glafur, ftets zinn- oder bleihältig, befteht zudem 
aus Quarz, Kali und Natron. Sie fchmilzt leicht, geftattet einen Farbenauftrag fowohl 
am Bisquit, als nach dem Glafiren und nimmt die aufgetragenen Emailfarben fo
	        
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