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Conrad Grefe.
Wir haben bereits angedeutet, dafs die höchfte künftlerifche Aufgabe der
Chromolithographie in der treuen Wiedergabe vorzüglicher Gemälde, das heifst
echter Kunftwerke befteht, und diefe Erkenntnifs hat fich auch feit der letzten
Parifer Ausftellung in immer weiteren Kreifen Bahn gebrochen; bis dahin waren
was die Herftellung von Gemälden betrifft, meift nur Aquarelle nachgebildet wor-
den. Nun fchritt man zur Wiedergabe von Oelgemälden moderner Meifter und
jetzt wagt man fich bereits an Hauptwerke der gröfsten claffifchen Meifter — an
Gemälde, wo die Feinheit der Farbentöne, die Tiefe des Colorits und der
Schmelz der Lafuren — grofse und fcheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten
entgegenfetzen. Allein inzwifchen hatten fich auch tüchtige, ausgezeichnete
Künftler diefem Kunftzweige zugewendet und die Technik den höheren Zielen
desfelben entfprechend reformirt; bisher hatte man zumeift die einzelnen Farben-
fteine mit fein gefpitzter Kreide gezeichnet, eine ebenfo langweilige als mühfame
Methode, die, ungeachtet der Verwendung zahlreicher Farbenfteine, doch niemals
die volle Wirkung eines Oelgemäldes zu erreichen geftattete und dabei ebenfo
ermüdend als geifttödtend auf den Zeichner wirkte. Man griff nun zu Tufch,
i infei und Schabmeffer, als dem eigentlichen Handwerkzeug des Künftlers Die
Darftellung wurde freier und geiftreicher, felbft der Pinfelzug des Originals konnte
mit ucherer Hand nachgebildet und fowohl die Kraft der Farbe, als der Reiz des
Tones erreicht werden.
Auch in Bezug auf den Druck, die Bereitung der Farbe und die Behand
lung der Steine in der Preffe, ging man bedeutend vorwärts und, wenn diefe
Entwicklung mit der obigen nicht ganz gleichen Schritt hielt, fo liegt die Urfache
wohl dann, dafs die Lithographie immer noch den hochgebildeten praktifchen
C lemiker erwartet, der Farbe und Firnifs, Tufch, Kreide und Aetzmittel zum
Gegenftande ernfter und eingehender Studien macht. Doch waren diefe technifchen
F ortfchntte in Verbindung mit denen auf künftlerifchem Gebiete bedeutend
genug, um die obgenannten Schwierigkeiten zum gröfsten Theile überwinden zu
können, und was noch in diefer Richtung zu thun ift, liegt unbedingt in den
Grenzen der Möglichkeit; allem wenn es auf diefe Art auch erreichbar geworden
ift, das fchonfte Gemälde taufchend ähnlich nachzubilden, fo zeigt es fich doch
als unendlich fchwerer davon die nöthige Auflage, das heifst eine grofse re
Anzahl gediegener Abdrücke herzuftellen, und hier treffen wir auf den eigent
lichen wunden Punkt, an welchem die lithographifchen Anftalten aller Länder
ge a b n iMe n ten Drucketn. ^ ^ empfindlicher - entfprechend aus-
Die jetzige Uebung befteht darin, dafs der nächftbefte Junge als gewöhn
licher Lehrling oder Aufleger beginnt und, die verfchiedenen Stadien des
ordinären und Schwarzdruckes durchmachend, endlich beim Farbendruck
an angt, wo er bald da Noth an Mann ift, zum drucken von eigentlichen Kunft-
hibverwendetwird Llth ° graph ° ft monatelan S mit gröfstem Eifer gearbeitet
Allerdings haben fich auch auf diefem Wege viele tüchtige, ja ausgezeich
nete Arbeiter herangebildet und fall jede gröfsere Anftalt befitzt einen oder
vielleicht auch einige derfelben, allein diefe reichen kaum aus, die vielen
“.?, hlg /" Probedrucke herzuftellen, während die Auflagen in den meiften
1 allen Arbeitern anvertraut werden muffen, denen jede theoretifche Vorbildung
jedes Verftandmfs der Farbe, des Tones oder der Zeichnung abgeht und bei dem
Mangel von entsprechenden Fachfchulen auch nothwendigerweife abgehen mufs
Fachfchulen wo intelligente junge Leute, die wenigftens zwei bis drei
Jahrgange einer Mittelfchule abfolvirt haben, die nöthigften Kenntniffe der
Farbe und ihrer Mifchung, des Aetzens und der Kreidebereitung fowie eine
wenn auch geringe Ausbildung im Zeichnen, nebft dem praktifchen Unterrichte
an den Hand- und Schnellpreffen erhalten können, find eine unbedingte
Nothwendigkeit für die weitere Entwicklung der Lithographie