Lithographie und Chromographie.
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Der Schwarzdruck, infoferne es fich dabei um künftlerifche Leiftungen
handelt, tritt allenthalben und fomit auch in Wien mehr und mehr gegen den
Farbendruck zurück, woran wohl in erfler Linie der herrfchende Gefchmack die
Schuld trägt. Was jedoch in diefer Richtung von R e i ff e n fl e i n, Haupt und
Anderen ausgeftellt war, zeigte eine gleich hohe Stufe technifcher Vollendung, wie
wir fie bei Lemercier in Paris trafen.
Grofse induftrielle Werke, wie wir fie in der franzöfifchen Abtheilung fo
zahlreich fanden, oder literarifche Illuftrationsarbeiten, von denen Deutfchland
fo Vieles und Reizendes bietet, waren in der öfterreichifchen Abtheilung nur fehr
fpärlich zu finden, weil eben die Anregung und der Unternehmungsgeift dazu fehlt;
beffer ift es mit den wiffenfchaftlichen Illuftrationen und mit den Unterrichtsarbeiten
beftellt. Die Tafeln der geologifchen Reichsanftalt von Grefe und Haupt und
die grofsen medicinifchen Werke der kaiferlichen Staatsdruckerei von Dr. Heiz
mann, das fchöne Werk über die Aroiceen von Reiffenflein & Röfch, die
anthropologifchen Tafeln von Gerhardt, fowie die Arbeiten für Unterrichtszwecke
von Hartinger und Hölzel, nebft manchen Anderen zeugen von eifrigem
Vorwärtsftreben und lallen ahnen, was unter günftigen Verhältniffen geleiflet
werden könnte.
Die kaiferliche Staatsdruckerei hat jetzt keinen eigenen Kunflverlag mehr
und in Folge deffen auch wenig Neues ausgeflellt, was diefe Anftalt jedoch im
Auftrag von privaten und öffentlichen Anftalten ausführt, ifl in hohem Grade
lobenswerth.
Die übrigen rein technifchen und mercantilen Zweige der Lithographie,
inclufive der Autographie waren durch eine Anzahl Wiener und Provinzanflalten
in fehl* anerkennenswerther Weife vertreten; nur entbehren die ornamentalen
Arbeiten in vielenFällen, fo zierlich und forgfältig fie auch ausgeführt find,
in Bezug auf Stil und Compofition jener Ausbildung, welche fonfl die Arbeiten
anderer Wiener Kunftgewerbe zeigen.
Das mit Oeflerreich eng verknüpfte Ungarn hat, obgleich es eine Anzahl
fehr ausgezeichneter Künfller befitzt, bisher das F eld der höheren Litho
graphie noch wenig verfucht; dagegen ihre übrigen Zweige mit einzelnen aner-
kennenswerthen Arbeiten vertreten.
Derfelbe Charakterzug tritt übrigens immer marcanter hervor, je mehr man
gegen den Offen der alten Welt vorfchreitet; Rufsland befitzt zwar noch in
Petersburg die tüchtig geleitete Anftalt von Braefe, welche ein in Zeichnung
und Druck fehr gelungenes Bild ausftellte, nebft der Firma G 1 i b o w, die einige
gut gezeichnete Illuftrationswerke brachte, es befitzt ferner zur Erzeugung von
Kirchenbildern in Kiew eine ganz gute, jedoch von deutfchen und fchweizer
Lithographen und Druckern eingerichtete und geleitete Anftalt und fchliefslich
hat die lithographifche Anftalt von Tajano in Warfchau einen trefflich aus
geführten Flügelaltar, nebft einigen guten Schwarzdrucken ausgeftellt; allein
all’ diefs ift denn doch ein geringes Refultat für ein fo grofses aufftrebendes Reich.
Der Orient endlich war nur fporadifch durch einzelne Anftalten vertreten
und auch diefe find nicht von Einheimifchen, fondern von Europäern begründet
und geleitet, wie z. B in Alexandrien, ohne jedoch irgendwie eine hervor
ragende Stelle einzunehmen; die orientalifchen Sitten und Gewohnheiten widei-
ftreben bis jetzt noch dem in Europa fo allgemeinen Bedürfniffe, fich mit Kunft-
werken zu umgeben und fpeciell unfere figuralifchen Darftellungen find dadurch
faft ganz ausgefchloffen.
Vereinigen wir noch einmal im Geifte all’ die im Weltausftellungspalafte
zerftreuten Leiftungen der Lithographie, ergänzen wir fie auf demfelben Wege
mit den nicht ausgeftellten, aber doch in der Kunftwelt bekannten, und ziehen wir
dann eine Parallele mit ihren Standpunkte zur Zeit der letzten Parifer Weitaus
ftellung, fo erkennen wir folgende Refultate.