Der Zeichen- und Kunftunterricht.
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Erläuterung), dafs die Schüler fo grofs wie nur möglich die Figuren zu zeichnen
haben, und zwar im erften Entwurf mit der Kohle.
Schon bei der erwähnten Ausflellung in Berlin (1870) erregten die Hand
zeichnungen des „Stufenganges für den Elementarunterricht“ von Zimmermann
(Lehrer in Zurckau) gerechtes Auffehen und wurde allgemein der Wunfch ausge-
fprochen, dafs der Verfaffer durch Vervielfältigung feine Blätter auch anderen
Schulen zugängig mache Auf der Weltausftellung waren die Tafeln ebenfalls
erfchienen und hatten fich der günftigften Beurtheilung zu erfreuen. Wir kommen
noch bei S a c h fe n näher auf diefe Arbeiten zu fprechen. Zu bedauern war es
nur, dafs von der fo tüchtig geleiteten Volksfchule in Mainz, deren Schülerarbeiten
ebenfalls zur Zeit in Bezug auf Methodik ein fehr beifälliges Urtheil ernteten,
nichts eingefandt wurde.
In den Provinzen Preufsens wird das Zeichnen dort gut betrieben, wo eben
der betreffende Lehrer des Gegenftandes befähigt ift. Es führt diefer Satz uns
hier auf den Zeichenunterricht in den Schullehrer-Seminaren, von wo ja die
Pflege desfelben für die Volksfchule auszugehen hat. Bisher fanden fleh hierin
freilich noch grofse Lücken und wurde, wenn wir dem Berichte weiter folgen,
derfelbe durch die häufig ganz ifolirte Lage der Domicile nicht feiten in Frage
geflellt. Den beflehenden Zeichenlehrern wurde dafelbft nur wenig Zeit für ihre
Thätigkeit eingeräumt, und da es ihnen an ausreichender Befchäftigung fehlte,
wurden diefelben meift aus den wiffenfchaftlichen Lehrern gewählt. Nur an den
Seminaren in gröfseren Städten waren tüchtige Kräfte dazu vorhanden, und wur
den auch, meift gute Refultate erzielt. Wenn die neueren Beflimmungen in Bezug
auf den Zeichenunterricht an den Volksfeinden durchgeführt werden follen, wird
wohl die Regierung dafür Sorge tragen mtiffen, dafs demfelben auch an den
Lehrerbildungs-Anflalten in entfprechender Weife Rechnung getragen werde.
Auch in Bezug auf den gewerblichen Zeichenunterricht ift Nord-
Deutfchland gegenüber den füdlichen Ländern noch weit im Rückftande. Noch
bis vor Kurzem lag Alles, was in diefer Hinfleht zur Förderung der Kunftinduflrie
gefchah, in den Händen von Vereinen, und war es gerade in Preufsen, wo von der
Regierung aus am längften gezögert wurde, diefem hochwichtigen Fadtor für den
Wohlftand die gebührende Aufmerkfamkeit zu fchenken. Mit Ausnahme des Ber
liner Handwerker-Vereines, durch welchen vorzugsweife die norddeutfehe Tifch-
lerei und Weberei einigermafsen gehoben wurden, gab es bis vor nahe zehn
Jahren in Preufsen keine Anftalten, in welchen die Kunftgewerbe in ergiebiger
Weife eine Unterftützung gefunden hätten. Die ftädtifchen Gewerbefchulen
gewährten eine mehr allgemeine, wiffenfchaftliche Bildung, als dafs den Special
fächern Rechnung getragen werden konnte; defsgleichen war die Einrichtung der
Fortbildungsanftalten nicht darnach angethan, eine Pflanzftätte des kunftgewerb-
lichen Unterrichtes zu werden, abgefehen von den ganz unzureichenden Sonntags-
Freifchulen. Das königliche Gewerbe-Inftitut ift mehr technifche Anftalt und die
königliche Akademie der Künfte gehört fpeciell der Kunft, fo dafs auch von diefer
Seite der Kunftinduflrie wenig gedient wurde. *
In dem Reorganifationsplane vom 21. März 1870 wurde der Gefammtcurs
der preufsifchen Gewerbefchulen auf drei Jahre ausgedehnt und dem Lehrplane
die modernen Sprachen einverleibt. Das Lehrziel wurde (in Folge verfchärfter
Aufnahmsbedingungen) in den meiften Gegenftänden höher geftellt, und zog aus
der neuen Einrichtung vorwiegend das Linearzeichnen Vortheile. Im Allgemeinen
behielten die Schulen den Charakter von technifchen Schulen, was fchon in der
Motivirung des Reorganifationsplanes deutlich ausgefprochen erfcheint; dafelbft
heifst es: „Der angehende Gewerbetreibende mufs imStande fein, die Fortfehritte
* Ueber die Verhältnifie des kunftgewerblichen Unterrichtes in Preufsen bis zum Jahre
1866 zu vergleichen: Die Förderung der Kunftinduflrie in England und der Stand diefer Frage
in Deutfchland von Dr. H. Schwabe, III. Theil, S. 188 fF.
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