Die chemifche Induftrie.
I
fahren beruht auf der durch Schwefelfäure bewirkten Ueberfühnmg des Kochfalzes
in fchwefelfaures Natron, wobei Salzfäure als Nebenprodukt gewonnen wird und
auf der Einwirkung, welche Kohle und kohlenfaurer Kalk bei hoher Temperatur
auf das fchwefelfaure Natron aufsern, wodurch beim darauffolgenden Auslaugen
der Schmelze kohlenfaures Natron nebft etwas Aetznatron an dasWaffer abgegeben
werden, während Schwefelcalcium, kohlenfaurer Kalk und Kalk (die fogenannten
Sodarückftände) unlöslich Zurückbleiben. Es ift alfo die Darftellung eines
Zwifchenproduaes, des fchwefelfauren Natrons, nothwendig, ehe man vom
Kochfalz zur Soda gelangt; aufserdem ift der Verbrauch an Kohle fehr bedeu
tend. Für je einen Centner Soda, die producirt wird, werden circa 3V2 Centner
Kohle confumirt. Ein weiterer Uebelftand diefes Verfahrens, dafs nämlich der
in Form von Schwefelfäure eingeführte Schwefel, der fchliefslich in die bis
vor Kurzem ganz werthlofen und nur luftigen Sodarückftände übergeht, voll-
ftändig verloren wird, ift erft in den letzten Jahren durch die Methoden der
Wiedergewinnung des Schwefels von Schaffner, Mond und P. W. Hofmann
wenigftens annähernd befeitigt worden. Ueber diefe wichtige Verbefferung
oder vielmehr Ergänzung des Le Blanc’fchen Verfahrens ift bereits gelegentlich der
Weltausftellung vom Jahre 1867, auf der fie eine der hervorragendften chemifchen
Neuigkeiten darftellte , eingehend berichtet worden. Diefsmal handelt es fich
nicht um eine Verbefferung des Le Blanc’fchen Verfahrens, fondern um eine
von der Le Blanc’fchen ganz verfchiedene neue Methode der Sodabereitung,
welche vom Kochfalz ausgehend in viel direkterer Weife zum Ziele führt. Sie ift
unter dem Namen des Ammoniakproceffes bekannt.
Zwei Ausfteller, Solvay & Comp. (Couillet bei Charleroi in Belgien) und
Honigmann (Aachen), haben Soda ausgeftellt, die nach dem neuen Verfahren
dargeftellt ift. Von diefen arbeitet der erftere fchon feit mehreren Jahren, und
zwar in grofsem Mafsftabe, fo dafs man wohl annehmen darf, es müffe ihm gelungen
fein, alle Schwierigkeiten der praktifchen Ausführung zu überwinden ; er wurde
daher auch von der Jury mit dem Ehrendiplome ausgezeichnet. *
Forfchung in einem Patent (Brevet fecret), auf 15 Jahre, für Fabrication von Soda aus Kochfalz,
nieder, das er im September 1791 verlangte und erhielt. Es war ihm jedoch nicht befchiede ,
die werthvollen Früchte feiner Anflrengungen zu gemefsen. Kaum hatte die inzwifchen voll
händig eingerichtete Fabrik zu arbeiten angefangen, als in Folge der grofsen Revolution alle
Güter des Herzogs von Orleans mit Befchlag belegt wurden. Die Fabrik und alle Stucke ihrer
Einrichtung kamen unter den Hammer. Zugleich verordnete der Wohlfahrtsausfchuss, welcher
die damals durch Abfperrung aller Zufuhr von fpanifcher Soda, wie von auslandifcher Pottafche
nach Frankreich entflehende fchwierige Lage wohl erkannte, dafs alle Burger, die Fabriken zur
Darftellung von Soda aus Kochfalz eingerichtet oder Patente darauf genommen hatten ihre V er-
fahrungsweifen, fotvie Stand derFabrication etc. bekannt geben feilen. Unter 13 Methoden zur Dar
Heilung von Soda aus Kochfalz, welche der zur Prüfung emgefetzten aus den Herren Lelievre,
P e 11 e t i e r, d'A r c e t und G i r o u d beftehenden Commiffion vorgelegt wurden, w urde die von Le
i! 1 an c herrührende für die hefte erklärt. Trotz diefer Veröffentlichung, die fpater, 1797, durch die
„Annales de Chimie“, B. 19, eine noch gröfsere Verbreitung erhielt, bedurfte es doch einer
längeren Zeit, ehe der neue Induftriezweig zu europalfcher Bedeutung gelangte, ja auch nur
Frankreich felbft heimifch wurde, . „ . T , ,
In England wurde Le Blanc’s Methode zwar fchon am Anfang unferes Jahrhundertes von
L ofh eingeführt, aber erft 1823, als die unvernünftig hohe Salzfteuer yon 30 Pfund Sterling pe
Tonne aufgehoben wurde, geftaltete fie fich in James Muspratts Händen zur Giundlage
einer großartigen Induftrie, die feitdem wie bekannt koloffale Dimenfionen angenommen ha .
Die erfte Sodafabrik in Oefterreich, welche Le Blanc's Verfahren anwandte, wurde 1851
von Mil ler & H 0 chfte tt er in Hrufchau (Mähren) gegründet.
Der geniale Entdecker, der mit dem koftbaren Gefchenk das er der M enf c'tei-mach_te
zur Förderung der Civilifation mehr beigetragen hat, als fo mancher gefeierte Sämann,:mußte
fich mit der Hoffnung auf künftigen Ruhm begnügen. Durch die oben erwähnten .Erei^iffe
materiell zu Grunde gerichtet, konnte Le Blanc trotz einiger Unterftutzung die o„ f ? fDie
Theil wurde, fich nicht mehr ganz aufrichten. In dürftigen \ erhaltn.ffen Harb er 1896. (Die
vorftehenden Daten über Le Blanc's Entdeckung find großenteils einem von der. ^emifchen
Sektion der franzöfifchen Akademie der Wiffenfchaften am 31. Marz 1856 erftatteten Berichte
entnommen. S. Compt. rend. XLII. 553 ) , _ . , « ttt c T rhmmiOW
* Für die Ausftellung 1873 fiehe Ur. A. Bauer’s Bericht Gruppe III, Sea i? ^ Chemifche
Produdle für technifche Zwecke.