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Guftav Semrad und Johann Sterbenz.
Die Richtung, welche die ruffifche Artillerie bei ihren Arbeiten einfehlägt,
ift aus mehrfachen Gründen beachtenswerth, und das Studium der von ihr aus-
geftellten Gefchütze empfiehlt fich daher fowohl vom technifchen als auch vom
rein militärifchen Standpunkte zur Beurtheihmg eines Haupttheiles der dortigen
Wehrkraft.
Die ruffifchen Artillerie-Objedte flammten theils aus dem k a i f e r 1 i c h e n
Arfenalezu St. Petersburg, theils aus den Stahlwerkenzu Perm und
Ob oukhoff.
Erfteres hatte unter Anderem eine broncene 4-pfündige Feld
kanone ausgeftellt.
Das Rohr derfelben befteht aus dem conifchen Längenfelde, dem cylin-
drifchen Mittelfelde und aus dem vierkantigen abgerundeten Hinterftücke, in
welchem fich der Verfchlufskeil befindet. Die Bohrung enthält 12 Parallelzüge,
und ift am rückwärtigen Ende des Laderaumes mit einem ftählernen, hydraulifch
eingeprefsten Ringe verfehen. Der nach dem Broadwell’fchen Principe conftruirte
Verfchlufskeil ift aus Bronce erzeugt, und hat an der vorderen Fläche eine Stahl
platte, in welche der ftählerne Broadwellring eingefetzt ift.
Zum Schutze des rechten, aus dem Hinterftück heraustretenden Keilendes
ift an die ebene Seitenfläche des Vierkantes ein Ring aufgefchraubt. DasGefchütz-
rohr hat blofs ein am vorderen Ende des Längenfeldes eingefchraubtes eifernes
Vifirkorn; der aus einer Verlängerungshülfe fammt Stab beftehende Auffatz aus
Meffing, deffen verfchiebbares Vifir durch Umklappen eines Blättchens, welches
gleich dem Vifir einen winkelförmigen, jedoch mit dem Scheitel nach oben gekehr
ten Einfchnitt hat, geftattet ein fehr fcharfes Richten.
Die e ife nb 1 e c h e rn e L affe t e hat parallele, mit aufgenieteten Winkel-
eifen verfehene Wände, welche durch zwei Stirn- und drei Mittelbolzen und durch
ein unteres Protzftock Blech miteinander verbunden und in der Gegend der Achs-
und Schildzapfen-Lager durch aufgenietete Bleche verftärkt find.
Die Richtmafchine ift fehr einfach ; fie befteht aus zwei ineinander gehenden
Schraubenfpindeln und einer broncenen Mutter, die in einem um Zapfen dreh
baren eifernen Gehäufe eingelaffen ift. Die innere Richtfpindel ift mit dem Ende
der Richtgabel verbunden, deren Arme auf dem rückwärtigen Stirnbolzen auf-
gefteckt find; die im Durchmeffer gröfsere Spindel trägt das Handrädchen.
Der prismatifche Mittelftock der ftählernen, mit abgebogenen conifchen
Achsftängeln verfehenen Achfe ift durch ein gegen die Enden fich verjüngendes
Winkeleifen verftärkt, welches durch zwei End- und ein Mittel-Anzugband mit dem
Achsftock verbunden ift.
Das Protzloch befindet fich in einer auf dem Protzftock-Bleche befeftigten
Bronceplatte. Der Richtbaum ift zwifchen den Wänden auf dem letzten Wand
bolzen aufgefteckt, und wird zum Gebrauche mittelft eines Bolzens mit einem
hornartig gebogenen, an der rechten Laffetenwand befeftigten Eifenftticke ver
bunden.
Die hölzernen Räder haben buchene, an den Zufammftofsungen mit
telft Spangen und Bolzen verbundene Felgen, eichene Speichen und Naben mit
broncener Büchfe.
Die Protze hat zwei Deichfelarme mit nach öfterrei chifcher Manier dazwi
fchen eingelegterDeichfelftange. Rückwärts auf den Armen befindet fich ein höl
zernes Querftöckel, in welchem der Protznagel eingefetzt ift. Bei aufgeprotztem
Gefchütz ruht der Protzftock nicht unmittelbar auf dem Stöckel, fondern auf einem
Kranz aus Stricken, der auf den Protznagel aufgefchoben ift. Die ftählerne Achfe
ift mit einem Holzfutter umgeben, welches jedoch nur von den Enden des Achs-
ftockes bis zu den Deichfelarmen reicht, und mit je zwei Anzugbändern
mit der Achfe verbunden ift. In der Mitte des Achsftockes ift eine nach
abwärts gebogene Schiene befeftigt, an derem Ende fich der Schleppfeil Ring
befindet.