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F. Lieb.
diefelben in Anfpruch zu nehmen, fleht dem Berichterftatter, welcher zugleich
Obmann derfelben ifl, will er nicht der Parteilichkeit befchuldigt werden, nicht
zu. Wir überlaffen diefs ruhig dem allgemeinen Urtheile.
Die Decorationsmalerei war in denAusflellungsräumen wohl fchwächer
vertreten; allein wer Wiens Anflrengungen kennt, der Schauluft der Gäfle in den
unzähligen, öffentlichen und Privatlocalen, das Möglichfte zu bieten, der wird es
begreiflich finden, dafs da an eine Ausftellung von Skizzen und Entwürfen nicht
gedacht werden konnte, und müffen wir, wie fchon Eingangs erwähnt worden, auf
deren Leiflungen in den vielen Prachtbauten, wie an den öffentlichen Localitäten
aufmerkfam machen. Uebrigens fällt das allgemeine Urtheil über diefen Kunfl-
zweig Oeflerreichs, beffer gefagt Wiens, nicht zu deffen Ungunften aus, ja es gibt
wohl keine Hauptftadt, welche hierin mehr excellirte.
Wir fcheiden mit dem ruhigen Bewufstfein von Oefterreich, nicht zu viel
über dasfelbe gefagt zu haben, und den Raum, wie die Ausdauer der geneigten
Lefer für unfer Heimatland nicht ungebührlich in Anfpruch genommen zu haben.
Deutfchland, das einfl fo viel Getheilte, fleht heute als ein Ganzes vor uns,
und wir müffen feine Erfolge auf der diefsmaligen Weltausflellung auch ganz allein
feinem Zufammengehen zufchreiben. Wie kindifch nahmen fleh diele Mignon-
ländchen auf den bisherigen Weltausftellungen aus. Kein Land in allen Induflrie-
zweigen abgerundet als Ganzes vor uns, jedes einzelne ein Verfuch, feine Dafeins-
berechtigung uns plauflbel zu machen, hier nordifch kalter Gefchmack in der
Kunft, dort füdlich durchglühter Kunftflnn, Induflrie-Armuth hier, Grofsinduflrie
allein dort.
Heute fleht wie auf politifchem Gebiete ein ehrfurchtgebietendes, gefchlof-
fenes Ganze vor uns. Grofsinduflrie mit Kunflinduflrie, nüchternes nordifches
Studium mitfüdlicher Phantafle gepaart. Und wenn wir bedenken, dafs diefesLand
noch vor Kurzem mit feinen beften Kräften, feinem edelflen Blute ganze Land-
flriche feindlichen Bodens düngte, fo müffen wir volle Anerkennung dem jungen
Deutfchland zollen, wenngleich wir heute dem ganzen Deutfchland (auf
kunflinduflriellem Gebiete unferer Branche) die Spitze mit Erfolg geboten haben.
Ich bin überzeugt, unter ruhiger Entwicklung, wenn der Ruf nach Blut und Eifen
längfl verhallt, wenn Krupp’s Feuerfchlünde die Hirtenflöte nicht mehr übertönen,
wird diefes Land jede Concurrenz beflehen. Seine Bürger find genügfam, feine
Söhne ebenfo muthig und intelligent, als betriebfam.
Betrachten wir die Expofitionen der verfchiedenen Induflriellen, fo find die
Zeichnungen im Allgemeinen bei unferem öflerreichifchen Fabricate beffer. Aber
in einzelnen Branchen, z. B. in Leinendamaften, zeigen die Deutfchen einen vor-
gefchrittqneren Gefchmack, als die Mehrheit unferer Erzeugniffe gleicher Branche.
Und Ehre diefen Fabrikanten, welche kein Schwinden
ihres Namens fürchteten, in dem fie ruhig die Autor ender Zeich
nungen namhaft machten, wie diefs, leider als Ausnahme, in liberalflei
Weife Carl Giani in Wien und eine kleine aber intelligente Schaar Anderer von
jeher gethan. Sie haben dabei den Vortheil, dafs fleh gerne der belle Kreis von
Künfllern unter ihre Fahne fchaart; dafs jeder das Möglichfte leiflet und nicht
anders kann, mufs er ja doch mit feinem Namen dafür einflehen.
Deutfchlands Tapeten find heute die erften der Welt, und Engel
hart in Mannheim hat das alleinige Verdienfl, dafs es fo gekommen. Seine
Zeichnungen find die bellen, fein Colorit das gefchmackvollfle.
An der Spitze der deutfchen Muflerzeichner fleht Friedrich Fifchbach,
der fleh übrigens durch eine ganz eigenartige reiche Ornamentationsweife cliarak-
terifirt. Uebrigens ifl die Zahl der deutfchen Zeichner eine Legion. Jeder Architekt,
jeder Profeffor des Freihandzeichnens, alles macht fleh der Induflrie dienllbar.
Alles fchaart fleh um fie. Kälter läfst fleh die norddeutfehe Decorationsweife an,
theilweife überfetzt fie zu viel Griechenthum ins nordifche Nebelgrau; fie erinnert