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Volltext: Die Kurzwaaren-Industrie (Gruppe X), offcieller Ausstellungs-Bericht

Galanteriewaaren aus Bronce, Leder- und Tafchnerwaaren. 
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Gewöhnlich ift die erfte Frage des Käufers, ob das verwendete Leder 
echter Juchten fei und der Frage folgt das fofortige Riechen zur angebotenen 
Waare Allerdings wird hierin mancher Schwindel getrieben. Was heifst nicht 
alles Juchten 1 Da nennt man Schaf-, Lamm-, Kalbleder, englifchen Juchten u. f. w. 
Viele diefer imitirten Juchten werden mit Birkenöl parfumirt und riechen abfcheu- 
lich, wenn auch nicht nach Juchten. Jedoch auch echter ruffifcher Juchten ift von 
grofsem Schönheit- und Werthunterfchied undfchwankt imPreife um circa5oPercent. 
Der beite Juchten und einzig für feine Lederwaare verwendbar ift der von 
Savin in Petersburg, der auch durch die Jury auf der Wiener Weltausftellung 
durch die Fortfchrittsmedaille ausgezeichnet wurde. Man unterfcheidet den foge- 
nannten Malia, gefalzten, glatten und Werhock-Juchten. Ich erwähne hier felbft- 
verftändlich nur die von Lederwaaren-Fabrikanten verwendeten Sorten und nicht 
die übrigen noch exiftirenden z. B. Natur-, Stiefeljuchten u. f. w. 
Maliajuchten geht nach dem Gewicht und wird per Centner verkauft, ift 
fpitz (im verfchobenen Rechteck) carrirt und wird meift geglättet (was hier in 
Wien gefchieht) zu minder feinen Artikeln verwendet. Gefalzter Juchten, der fo 
wie Malia nach dem Gewicht in Handel kömmt, ift gewöhnlich im Quadrat 
carrirt; felber ift, da er durch das Wegfalzen überflüffig dicker Theile leichter 
geworden, ziemlich theuer und wird für feine Waare geglättet oder im Natur- 
zuftande verwendet. Der in Rufsland glatt gearbeitete Juchten wird von den 
Wiener Lederarbeitern durch Befeuchten und Walken noch glatter und glänzen 
der gemacht, und gibt eine fehr feine Sorte, die in letzter Zeit für fogenannte 
weiche Waare fehr modern geworden ift. Auch diefer wird nach dem Gewicht 
verkauft, ift von den drei Gattungen der theuerfte und exiftirt wie alle übrigen 
in verfchiedener Gröfse und Stärke. 
Werhockjuchten wird nach dem Werhock, einem ruffifchen Flächenmaffe, 
berechnet; ein Fell hat 25 bis 45 Werhocks. Auch er ift verfchiedener Stärke. 
Er wird feiten geglättet und meift für gröfsere Caffetten und für Tafchnerwaaren 
im Naturzuftande verwendet. Derfelbe hat fehr fchöne, fpitz carrirte Narben 
von befonderer Reinheit. 
Eine Gattung Juchten, die in Wien fchon feit Jahren nicht mehr benützt 
wird, ift der fogenannte Chagrinjuchten. Es ift diefs nur reiner Naturjuchten, 
was immer für einer Gattung (meiftens Malia); der zuerft roth gefärbt, dann gleich 
Schaf-, Bock- oder Gaisleder chagririirt, das heifst mit einer eifernen Rolle 
gekörnt wird, alfo künftliche Narben erhält. Diefe fchlechtefte und billigfte 
Gattung wird noch von Offenbacher, Berliner und Parifer Fabrikanten verwendet. 
Hier füge ich eine Täufchung bei, die von einigen Wiener Tafchnern 
ftark benützt wird. Da nämlich, wie erwähnt, Juchten nach dem Gewicht gefchätzt 
und feine bedeutende Stärke für Reifefäcke u. dergl. von grofsem Vortheil ift, 
fo verwenden fie dünnen, fchwachen Juchten, den fie mit Schafleder zufammen 
cachiren, .ungefähr wie man gewöhnliches Holz mit feinem Holze fournirt. Die 
Arbeit fieht dann ganz gut aus, das Leder fcheint dick und ift um 20 Percent 
billiger als reelle Waare. 
Aufser Juchten werden noch verarbeitet: Lamm-, Gais-, Bock-, Kalb-, 
Seehund-, Crocodil-Leder, Pergament, fowie Schaf-und Spalt-Leder für Futter. 
Alle diefe Ledergattungen kommen gröfstentheils, wenigftens die für feine 
Waare verwendbaren, aus Mainz, Frankfurt, Paris etc. 
Das Hauptmaterial alfo, das Leder, mufs aus fremdem Lande gebracht 
werden, mit Zoll und Spefen belaftet und zeitweife zu hohem Courfe an den Fabri 
kanten gelangen, um fpäter als vollendeter Wiener Galanterie-Artikel wieder hin 
auszuwandern. Dasfelbe gilt von der allgemein als Futter verwendeten Moiröe 
franqaife und antique, die in Wien gar nicht erzeugt wird. 
Kommen wir nach diefer Abfchweifung zur Ausführung zurück. 
Nach der Zeichnung werden vom Werkführer, in gröfseren Fabriken von 
einem Mufterarbeiter die Zufchneide- und Arbeitsmodelle angefertigt, der 
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