Das gewerbliche Unterrichtswefen.
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Zeichenunterricht gelegt, welcher die fachlichen B.edürfniffe der jungen Gewerbe
treibenden nach Möglichkeit berückfichtigt; dem Zeichnen zunächfl finden Arith
metik, Geometrie, Stilübungen aufmerkfame Pflege.
Aufser diefen Handwerker-Schulen find als Lehranstalten mit täglichem,
ganztägigem Unterrichte die 1850 errichtete Winter-Baufchule in Darmftadt, die
Kunftgewerbe-Schule in Mainz und die Kunftinduftrie Schule in Offenbach hervor
zuheben, fo dafs fleh denn das gewerbliche Schulfyftem Heffens, fowohl was
Fortbildungs- als auch was gewerbliche Mittelfchulen betrifft, als ein gut ausge-
ftaltetes zeigt.
Baiern. Das gewerbliche Unterrichtswefen in den drei füddeutfehen
Staaten weift einen wenig einheitlichen Charakter auf, indem in Württemberg und
Baden feit Längerem auf die Fortbildungsfchulen ebenfo fehr das Hauptgewicht
gelegt wird, als diefelben bis vor wenigen Jahren in Baiern vernachläffigt wurden.
Doch hat das letztere Königreich in jüngfter Zeit hierin bedeutende Fortfehritte
gemacht, und ift dasfelbe heute, die mit Gewerbefchulen verbundenen Curfe
abgerechnet, bereits im Befitze von etwa 130 gewerblichen Fortbildungsfchulen,
welche in je eine Elementar- und mehrere Fachabtheilungen gegliedert find.
Während der erften Abtheilung die Aufgabe zufällt, neben Ertheilung eines
Wiederholungsunterrichtes in den Gegenftänden der Volksfeinde die Anfangs
gründe des Zeichnens zu lehren, umfafst der Unterricht der Fachcurfe Conftruc-
tions-, Architektur-und kunftgewerbliches Zeichnen, ornamentales öder figürliches
Modelliren in Thon, Gyps oder Wachs, Arithmetik, Chemie, Phyfik, Buchfüh
rung und gewerbliche Materialienkunde, und geftaltet fich entfprechend den
fpeciellen Bedürfniffen der einzelnen Gewerbe.
Mittlere Gewerbefchulen, welche nur Volksfchul-Bildung vorausfetzen, wur
den in Baiern fucceffive in bedeutender Zahl feit 1833 errichtet; gegenwärtig
beftehen deren 33 ; die 8 bedeutendften unter diefen führen den Namen könig
licher Kreis-GeWerbefchulen. Diefelben umfaffen gewerbliche, commercielle und
landwirthfchaftliche Abtheilungen und tragen fomit einen gemifchten Charakter
an fich, der manche Bedenken wachrufen mufs. Die wichtigften Lehrgegenftände
find: deutfehe, franzöfifche und englifche Sprache, Gefchichte und Geographie,
Arithmetik, Phyfik, Chemie, Handelskunde, Freihand- und Linearzeichnen und
Modelliren. Der Unterricht vertheilt fich auf drei Jahrescurfe, und bezüglich der
Durchführung desfelben ftrebt das Lehrprogramm vom 2. Oktober 1870 einen
möglichft gemeinfamen Unterricht der verfchiedenen Abtheilungen an, fo dafs im
erften Jahre noch gar keine Spaltung eintritt, und auch im zweiten Curfe in der
gewerblichen und landwirthfchaftlichen Abtheilung ein und diefelben Fächer
gelehrt werden und erft im zweiten Curfe der Handels- und im dritten Curfe der
anderen Abtheilungen fich die fpeciellen Fach-Lehrgegenftände fondern.
Im Range am nächften flehen diefen Anftalten die Baugewerk-Schulen in
München und Nürnberg, welche in zwei Wintercurfen in deutfeher Sprache, Arith
metik, Geometrie, Linear-, Conftrudlions- und Ornamentenzeichnen, Phyfik,
Modelliren, Bau-Conftrutftionslehre, Mechanik und Buchführung Unterricht erthei-
len, an die Volksfchule anfchliefsen und von den eintretenden Schülern den
Nachweis einer mindeftens zweijährigen Befchäftigung in einem Bau-Handwerke
fordern.,
Eine ähnliche Stellung, wie fie in Sachfen die Chemnitzer Werkmeifter
Schule einnimmt, kömmt in Baiern den beiden königlichen Induftriefchulen in
München und Nürnberg zu, welche in eine mechanifch-technifche, eine chemifch-
technifche und eine bau-technifche Abtheilung fich verzweigen, ihre Aufgabe in
je zwei ganzjährigen Curfen löfen, und neben dem beruflichen Willen im engeren
Sinne auch die Kenntnifs moderner Sprachen vermitteln. Allen drei Abtheilun
gen ift der Unterricht in den grundlegenden Wiffenfchaften, Arithmetik, Geometrie,
Chemie, Mineralogie gemeinfam. Diefe Schulen verfolgen wie die königlichen
Gewerbefchulen in Preufsen den zweifachen Zweck, fowohl Gewerbetreibenden