Das gewerbliche Unterrichtswefen.
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Lehrfäle und mit einem Katalog der reichhaltigen Bibliothek. Ferner lagen fehr
praktifch abgefafste, autographirte Unterrichtscompendien fammt den zugehörigen
gleichfalls autographirten Zeichnungen, mehrere Druckfchriften über die Ein
richtungen der Schule und eine graphifche Darftellung zur Schulftatiftik auf. Die
in reicher Auswahl ausgeftellten Schülerarbeiten erwiefen fich würdig des grofsen
und koftfpieligen Apparates.
In einer Reihe von Mappen waren trefflifche Conftrudlionszeichnungen,
Entwürfe ganzer Gebäude, Aufnahmen von Architekturwerken verfchiedener
Stile u. f. w. enthalten. An den Wänden waren die effedlvollften Arbeiten aus
gebreitet, unter welchen fchöne polychrome, griechifche Ornamente befonders
hervorflachen. Jedenfalls stellte fich in Wien diefe Schule als die befte der
württembergifchen gewerblichen Unterrichtsanftalten dar.
Der Gefammteindruck, welchen das gewerbliche Unterrichtswefen Württem
bergs auf der Wiener Weltausftellung machte, läfst fich dahin charakterifiren,
dafs mit grofsem Aufwande an Fleifs und Geldmitteln die geiflige Hebung des
Gewerbeftandes und die Steigerung feiner Erwerbsfähigkeit angeftrebt zu werden,
dafs aber ein zu enger culturhiftorifcher Gefichtskreis diefe kleinftaatlichen Stre
bungen einzufchränken und eine zweckbewufst fchöpferifche Veredlung und Ver
feinerung des — wenn man fo fagen darf — äufseren Culturlebens der württem
bergifchen Gefellfchaft zu hindern fcheint.
Grofsherzogthum Baden. Das badifche gewerbliche Unterrichtswefen
war 1873 in Wien fchwach vertreten. Die Carlsruher gewerbliche Lehranftalt
hatte gefchmackvolle Scl.ülerarbeiten, Studien nach antiken und orientalifchen
Ornamenten, Entwürfe von Gefäfsen und Möbeln und einige wenige Modellir-
arbeiten zur Ausftellung gefandt. Einige im Gefchmacke ziemlich mittelmäfsige
Mufter von weiblichen Handarbeiten, „deren Anfertigung an der Volksfchule
gelehrt wird“, und einige im Katalog als „Kunftarbeiten“ bezeichnete Frauen
arbeiten können noch hierher gerechnet werden. Diefe Objedte waren vom Vor
hände des badifchen Frauenvereines in Carlsruhe eingefendet worden.
Die Bezeichnung derfelben als „Mufter“ rechtfertigte die Annahme, dafs man da
keineswegs Schülerarbeiten vor fich habe, und die präcife Ausführung fchien diefe
Annahme zu beflätigen.
Oefterreich.
Die Bedeutung und Organifation des gewerblichen Unter
richtes in Oefterreich.
An keinem Orte verdiente eine Ausftellung gewerblichen Unterrichtes fo
ernfte Würdigung von Seite der Bewohner wie in der induftriellen und politifchen
Hauptftadt Oefterreichs. Denn neben allen Fadtoren, welche die neuere wirth-
fchaftliche Entwicklung des gefammten Continentes beeinflußen, und neben allen
Erwägungen in gefellfchaftlicher Richtung, welche alle Culturländer betreffen,
wird hier auch eine Betrachtungsweife vom ftaatlichen Standpunkte aus von faft
gleich grofser Bedeutung wie vom focialen.
Ift ja doch die Entwicklung, welche die in Oefterreich feit nicht viel mehr
als einem Jahrzehnt aufgerichtete moderne Staatsform nehmen wird, ftreng abhän
gig von der Entwicklung des Bürgerftandes, des eigentlichften Schöpfers und
Vertreters dieferForm ; und derjenige Volksftamm, in welchem die öfterreichifche
Staatsidee fich am lebendigften und fefteften ausgebildet hat, der deutfche
Stamm, findet hauptfächlich in feinem entwickelteren Gewerbewefen
jenes Mehr an wirthfchaftlicher Kraft, welches er fo ausfchlaggebend in das ftaat-
liche Leben zu übertragen weifs, indem er es den centrifugalen, vorwiegend
ackerbauenden Majoritäten gegenüber politifch in die Wagfchale legt und fo
flaatfördernd und ftaaterhaltend verwerthet. Gerade diefe politifch werthvolle