Das gewerbliche Unterrichtswefen.
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Niederöfterreich iinterflützte Bau ge werk-Sc hule (Winterfchule) fetzt ficli zur
Aufgabe, Zimmer-, Steinmetz-, Maurer- und Baumeifter zu bilden. Sie knüpft an
die Praxis an und fetzt nur Volksfchul-Unterricht voraus. Ihre zur Ausftellung
gebrachten Schülerarbeiten, Copien und Entwürfe, wurden kaum von den Leiftun-
gen einer anderen Winter-Baufchule irgend eines Landes übertroffen. Einige
Bedenken wurden jedoch wachgerufen durch allzu fehr nach Reclame ausfehende
Paradeftücke; und insbefondere Entwürfe von luxuriös ausgeflatteten Monumental
bauten fchienen weder Schülerarbeiten in dem gewöhnlichen Sinne diefes Wortes,
noch überhaupt im Einklänge mit den fpeciellen Zwecken einer Winter-Baufchule.
Die im Jahre 1862 eröffnete mechanifche L e h r - W e r k ft ä 11 e in
Klagenfurt hat die Aufgabe, junge Gewerbetreibende, welchen der Befuch
einer höheren technifchen Unterrichtsanftalt unmöglich ift, die Gelegenheit zur
Erwerbung fachlicher Bildung zu bieten. Der Unterricht gliedert fich in drei
Jahrgänge und umfafst folgende Gegenflände: die Erlernung aller in das Mafchi-
nen-Baufach und die Metallarbeiten einfchlagenden Hand- und Mafchinenarbeiten,
fowie die Behandlung und Bedienung der Dampfmafchine ; ferner Mafchinen-, Frei
hand- und Ornamentzeichnen, Mathematik, Phyfik, Chemie, Mechanik und Pro-
jedtionslehre.
An der Ausftellung hatte fich die Lehrwerkflätte mit mehreren Werkzeugen
und Zeichnungen und einigen Mafchinenmodellen betheiligt. Die Schülerarbeiten,
beginnend mit geometrifchenZeichnungen, vorfchreitend zu einfacheren Conftruc-
tionen von Mafchinentheilen und in der Darftellung complicirter mechanifcher
Objecte gipfelnd, bezeugten die fchlichte Tüchtigkeit der Lehrmethode. Die
ausgeftellten Modelle von verfchiedenen Mafchinen waren fehr hübfch und corredt
ausgeführt.
Zur Gruppe der hier in Rede flehenden gewerblichen Lehranftalten gehört
ferner die erfl im Odtober 1872 eröffnete Fachfchule der Wiener Uhr
macher- Genoffenfc haft, welche fich die Heranbildung von theoretifch und
praktifch gefchulten Uhrmacher-Gehilfen zum Ziele fetzt. Diefe Schule hatte eine
Sammlung der an ihr im Unterrichte gebrauchten, vorzüglichen Wandtafeln und
forgfam ausgeführte Schülerzeichnungen aus dem Gebiete der Mechanik aus-
geftellt.
Fachfchulen für Glas- und Thoninduftrie.
Zur Förderung der Glasfabrication gab es vor dem Jahre 1870 in Oefterreich
nur eine Fachfchule, die 1856 errichtete „Kunft-Gewerbefchule für Glasinduftrie“
zu Steinfchönau. Seither wurden diefem uralten und weltberühmten Gewerbszweige
Böhmens, deffen Geldwerth jährlich etwa 20 Millionen Gulden beträgt noch vier
Lehranftalten vom Handelsminifterium gewidmet. Während die Schulen zu Stein
fchönau und Haida vorwiegend der Gefchmacksbildung in der Decoration und der
Förderung der Technik im Schliffe ihre didaktifche Kraft zuwenden, fucht die
Fachzeicher.- und Modellirfchule in Gablonz in Verbindung mit einer Specialfchule
für Glaschemie das als Hausinduflrie betriebene Glasquincaillerie-Gewerbe zu
heben. Eine im Jahre 1872 ins Leben gerufene Wanderfchule hat die Beflimmung,
die Technik der Glasfpinnerei und Gefpinnftverarbeitung zu vervollkommnen,
welche vor einem halben Jahrhundert aus Murano in einige Hausinduflrie-Bezirke
Böhmens verpflanzt worden ift.
Die Schule in Steinfchönau ertheiltTagesunterricht. Aufserdem befteht
an ihr ein Sonntagscurs. Der Unterricht umfafst: Geometrifches und Freihand
zeichnen, Malen, Modelliren und Compofition von Gefäfsformen und Gefäfsdeco-
rationen. In der Ausftellung fanden fich von der genannten Schule mannigfache
Objedte, als: Schülerzeichnungen, Aquarellftudien, Thonmodelle, Gypsabgüffe
und fertige Hohlglas-Arbeiten mit Schliff, Schnitt, Vergoldung und Malerei. Diefe
Ausftellung läfst fich allgemein leider gar nicht charakterifiren, denn zwei ganz