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Armand Freiherr von Dumreicher.
verfchiedene Zeit- und Stilrichtungen liefen in ihr fremd neben einander her.
Während viele Gegenftände hinfichtlich der Gefäfsform wie der Art des decorativen
Schmuckes dem Wefen des Materiales zu entfprechen und deffen fpecififche \ or-
züge künftlerifch zu verwerthen fuchten und während manchen Objecten ein löb
liches Studium der beften Renaiffancemufter anzufehen war, zeigten mindeftens
ebenfoviele andere Arbeiten ein aller Initiative bares \ erweilen auf nahezu über
wundenem Standpunkte und eine willenlofe Nachahmung des nachgerade veral
teten Stiles der Franzofen.
So war die von den hervorragendflen der öflerreichifchen Glasinduftriellen
bereits aufgegebene Manier der Porzellanimitation in Glas verhältnifsmäfsig ftaik
vertreten und mehrere gleich niedlichen Porzellanmalereien ausgeführte Genre
bildchen, Frauenportraits und mythologifche Scenen bezeugten, dafs die Stein-
fchönauer Kunftgewerbe-Schule anflatt der heraufwachfenden Generation princi-
pienftreng und zielbewufst eine Richtung anzuweifen, welcher die Zukunft gehört,
fogar hinter den Tendenzen der begabteren öflerreichifchen Praktiker zurück
geblieben ifl, wiewohl doch diefe Praktiker vom confervativen und banalen Zeitge-
fchmacke viel unmittelbarer abhängig find als die Schule. Die Zeichnungen und
Modellirarbeiten machten im Ganzen einen gefälligen Eindruck. Bei näherer
Betrachtung fielen freilich manche pädagogifche Mifsgriffe auf. So konnte an
einigen Zeichnungen reich decorirter Renaiffancegefäfse bemerkt werden, dafs die
Hauptconturen ganz falfch verliefen, dafs grob fl e perfpeclivifche Fehler begangen
waren und dafs der Schüler, welchem die complicirte Aufgabe anvertraut worden
war, offenbar noch nicht die nothwendige Sicherheit in der Wiedergabe felbft v eit
einfacherer Objecle nach dem Runden fich zu eigen gemacht hatte. Technifch
fehr fchön ausgeführt und von reizender Wirkung waren dagegen einige Glas
arbeiten im Renaiffanceflil, namentlich ein prächtiger, gefchmackvoll decorirter
Pocal von gefchliffenem Hohlglafe im Werthe von 1000 fl. Öflerreichifcher
Währung.
Die 1870 eröffnete Zeichen- und Modellirfchule in Haida hatte
fich an der Ausftellung mit Zeichnungen und einigen Schülerarbeiten in Glas
betheiligt. Von zweierlei an diefer Schule zu Tage tretenden Richtungen kann
hier kaum wie bei SteinfchÖnau die Rede fein. Vielmehr herrfchte nahezu aus-
fchliefslich der naturaliftifche Gefchmack. Gefäfse von zopfiger Geftalt, duich
tiefe grüne, rothe oder blaueFarbe des demGlafe eigenthümlichenReizes beiaubt,
gefchmückt mit in geleckter Manier gemalten, medaillonförmig umrahmten Frauen-
bildniffen, zeigten die Schule in der Hinterhand aller tüchtigeren Strebungen im
Gebiete modernen Knnflgewerbes. In den Zeichnungen überwog in bedauerlicher
Weife die naturaliftifche Blumen- und Landfchaftmalerei nach franzöfifchen \ 01-
lagen, und eine markant hervortretende Syftemlofigkeit, von welcher keineilei
Erfolge fich hoffen 1 affen, zwang zu dem Schluffe, dafs es den Leitern des Unter
richtes an Verftändnifs der Lehrmethode nicht minder als des kunftgefchicht-
lichen Proceffes fehlt, in welchem fich die öfterreichifche Induftrie gegenwärtig
befindet. Höchftens zwei bis drei Entwürfe von Vafen und Pocalen konnten als
anftändige Leiftungen bezeichnet werden; anderes mochte als Compofition füi
Ausführung in Porcellan hingehen, nicht aber für Glasarbeit.
Der zu Ende des Jahres 1870 in Gablonz eröffneten Zeichen- und
Modellirfchule fällt die Aufgabe zu, Graveure, Bronce- und Glasarbeilei im
Zeichnen bis zur Fertigkeit im felbftftändigen Entwerfen auszubilden. Der Unter
richt erftreckt fich auf Zeichnen, Stillehre, Perfpedlive und Anatomie, fernei auf
Modelliren in Thon und Wachs. Die Technik in den zur Ausftellung gebrachten
Zeichnungen und Modellirarbeiten war in Anbetracht der kurzen Exiftenz dei
Schule nich allzu ftreng zu beurtheilen. Doch dürfen im Intereffe der Sache einige
Wahrnehmungen nicht verfchwiegen werden Ein fchon bei SteinfchÖnau geiügtei
Fehler der Lehrmethode, die vorzeitige Uebertragung zu fchwieriger Aufgaben
an noch minder reife Schüler trat auch hier hervor. Die nach Gypsmodellen