MAK

Volltext: Das gewerbliche Unterrichtswesen (Gruppe XXVI, Section 4), officieller Ausstellungs-Bericht

36 
Armand Freiherr von Dumreicher. 
verfchiedene Zeit- und Stilrichtungen liefen in ihr fremd neben einander her. 
Während viele Gegenftände hinfichtlich der Gefäfsform wie der Art des decorativen 
Schmuckes dem Wefen des Materiales zu entfprechen und deffen fpecififche \ or- 
züge künftlerifch zu verwerthen fuchten und während manchen Objecten ein löb 
liches Studium der beften Renaiffancemufter anzufehen war, zeigten mindeftens 
ebenfoviele andere Arbeiten ein aller Initiative bares \ erweilen auf nahezu über 
wundenem Standpunkte und eine willenlofe Nachahmung des nachgerade veral 
teten Stiles der Franzofen. 
So war die von den hervorragendflen der öflerreichifchen Glasinduftriellen 
bereits aufgegebene Manier der Porzellanimitation in Glas verhältnifsmäfsig ftaik 
vertreten und mehrere gleich niedlichen Porzellanmalereien ausgeführte Genre 
bildchen, Frauenportraits und mythologifche Scenen bezeugten, dafs die Stein- 
fchönauer Kunftgewerbe-Schule anflatt der heraufwachfenden Generation princi- 
pienftreng und zielbewufst eine Richtung anzuweifen, welcher die Zukunft gehört, 
fogar hinter den Tendenzen der begabteren öflerreichifchen Praktiker zurück 
geblieben ifl, wiewohl doch diefe Praktiker vom confervativen und banalen Zeitge- 
fchmacke viel unmittelbarer abhängig find als die Schule. Die Zeichnungen und 
Modellirarbeiten machten im Ganzen einen gefälligen Eindruck. Bei näherer 
Betrachtung fielen freilich manche pädagogifche Mifsgriffe auf. So konnte an 
einigen Zeichnungen reich decorirter Renaiffancegefäfse bemerkt werden, dafs die 
Hauptconturen ganz falfch verliefen, dafs grob fl e perfpeclivifche Fehler begangen 
waren und dafs der Schüler, welchem die complicirte Aufgabe anvertraut worden 
war, offenbar noch nicht die nothwendige Sicherheit in der Wiedergabe felbft v eit 
einfacherer Objecle nach dem Runden fich zu eigen gemacht hatte. Technifch 
fehr fchön ausgeführt und von reizender Wirkung waren dagegen einige Glas 
arbeiten im Renaiffanceflil, namentlich ein prächtiger, gefchmackvoll decorirter 
Pocal von gefchliffenem Hohlglafe im Werthe von 1000 fl. Öflerreichifcher 
Währung. 
Die 1870 eröffnete Zeichen- und Modellirfchule in Haida hatte 
fich an der Ausftellung mit Zeichnungen und einigen Schülerarbeiten in Glas 
betheiligt. Von zweierlei an diefer Schule zu Tage tretenden Richtungen kann 
hier kaum wie bei SteinfchÖnau die Rede fein. Vielmehr herrfchte nahezu aus- 
fchliefslich der naturaliftifche Gefchmack. Gefäfse von zopfiger Geftalt, duich 
tiefe grüne, rothe oder blaueFarbe des demGlafe eigenthümlichenReizes beiaubt, 
gefchmückt mit in geleckter Manier gemalten, medaillonförmig umrahmten Frauen- 
bildniffen, zeigten die Schule in der Hinterhand aller tüchtigeren Strebungen im 
Gebiete modernen Knnflgewerbes. In den Zeichnungen überwog in bedauerlicher 
Weife die naturaliftifche Blumen- und Landfchaftmalerei nach franzöfifchen \ 01- 
lagen, und eine markant hervortretende Syftemlofigkeit, von welcher keineilei 
Erfolge fich hoffen 1 affen, zwang zu dem Schluffe, dafs es den Leitern des Unter 
richtes an Verftändnifs der Lehrmethode nicht minder als des kunftgefchicht- 
lichen Proceffes fehlt, in welchem fich die öfterreichifche Induftrie gegenwärtig 
befindet. Höchftens zwei bis drei Entwürfe von Vafen und Pocalen konnten als 
anftändige Leiftungen bezeichnet werden; anderes mochte als Compofition füi 
Ausführung in Porcellan hingehen, nicht aber für Glasarbeit. 
Der zu Ende des Jahres 1870 in Gablonz eröffneten Zeichen- und 
Modellirfchule fällt die Aufgabe zu, Graveure, Bronce- und Glasarbeilei im 
Zeichnen bis zur Fertigkeit im felbftftändigen Entwerfen auszubilden. Der Unter 
richt erftreckt fich auf Zeichnen, Stillehre, Perfpedlive und Anatomie, fernei auf 
Modelliren in Thon und Wachs. Die Technik in den zur Ausftellung gebrachten 
Zeichnungen und Modellirarbeiten war in Anbetracht der kurzen Exiftenz dei 
Schule nich allzu ftreng zu beurtheilen. Doch dürfen im Intereffe der Sache einige 
Wahrnehmungen nicht verfchwiegen werden Ein fchon bei SteinfchÖnau geiügtei 
Fehler der Lehrmethode, die vorzeitige Uebertragung zu fchwieriger Aufgaben 
an noch minder reife Schüler trat auch hier hervor. Die nach Gypsmodellen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.