Die chemifche Grofsinduftrie.
1 a
Die Gegenwart von viel Salmiak in der Flüffigkeit gegen Knde des Pro- •
ceffes, wirkt daher wohl Hörend und mag vielleicht die Bildung von Natrium
bicarbonat hindern. Jedenfalls lernen wir aber aus dem Gefügten, dafs alle
Urfachen, welche die Zerfetzung des einmal gebildeten und abgefchiedenen
Bicarbonates befördern, alfo z. B, die Temperaturerhöhung, forgfältig gemieden
werden miiffen, während rafches Entfernen des erhaltenen Produktes und die
Anwendung eines höheren Druckes ohne Temperaturerhöhung, wodurch die Flüffig
keit befähigt wird, Kohlenfäure zurückzuhalten, den Procefs unterftützen mag.
Da immer nur jene Menge von Soda gewonnen werden kann, -welche aus
dem unlöslich abgefchiedenen Natriumbicarbonat refultirt und der in Löfung
gebliebene Reft, fchon der oberwähnten Rückbildung durch Salmiak wegen, nicht
Gewonnen werden kann, fo dürfte es auch kaum möglich fein, den Ammoniak-
procefs auf Chlorkalium (oder direcft auf Carnallit) anzuwenden, um Potafche zu
bekommen, da das Kaliumbicarbonat viel leichter löslich ift als das entfprechende
Natriumfalz. In der That habe ich bei diefsbezüglichen Verfuchen, welche ich
fchon vor einigen Jahren mit Herrn B. Babel in meinem Laboratorium aus
führte, nur ungenügende Refultate erhalten.
Die Bildung des Kaliumbicarbonates aus Chlorkalium - Löfung durch
Ammoniak und Kohlenfäure erfolgte zwar leicht, jedoch nur bei Anwendung eines
•Ueberdruckes von circa '/, Atmofphäre und die erhaltene Menge von Kalium-
cabonat entfprach nur 22 Percent der angewendeten Quantität von Chlorkalium.
Der Ammoniak-Sodaprocefs erinnert übrigens an den von Weldon*
gemachten Vorfchlag Natriumbicarbonat (und Soda) aus Kochfalz-Löfung durch
kohlenfäure und Magnefia darzufteilen. Es bildet fich Magnefiumbicarbonat,
welches nur in Löfung exifliren kann und das Kochfalz unter Abfcheidung von
fchwerlösli ehern Natriumbicarbonat und löslichem Chlormagnefium zerfetzt.
Weldon fchlug vor, das erhaltene Chlormagnefium durch Erhitzen in Magnefia
und Salzfäure zu zerlegen und glaubte, dafs die erhaltene Salzfäure allein die
Gefammtkoften für das ganze Verfahren zu decken vermöge !
Uebrigens hat ja Hugo M ü 11 e r ** nachgewiefen, dafs fogar Kohlenfäure
allein das Kochfalz zu zerlegen vermag, wenn fich letzteres in Löfung befindet.
Mit der Sodafabrication innig verwachfen ift die Erzeugung vonAetz-
natron und diefelbe erfolgt gegenwärtig wohl meiftens durch Aufarbeiten der beim
Verfieden der Roh-Sodalaugen fallenden Muterlaugen.*** Will man vornehmlich
Aetznatron darftellen, fo mufs man fchon das Gemenge aus Sulfat, Kalk und
Kohle quantitativ anders zufammenfetzen und überdiefs heifs auslaugen. In jedem
Falle hat man eine Schwierigkeit damit zu überwinden, die entftandenen
Schwefelverbindungen zu oxydiren. Nach Helbig kann man diefs mit Vor
theil durch Durchblafen von Luft durch die im rothglühenden Fluffe befindlichen
Maffen (und nicht wie früher durch die Lauge) erreichen. In neuefter Zeit hat
auch die Verwendung und damit die Darftellung von unterfchwelfligfaurem
Natron aus den Sodarückftänden eine grofse Ausdehnung gewonnen. Diefelbe
wurde von Schaffner-]- näher befchrieben.
Genen die Anwendung des unterfchwefligfauren Natrons als Antichlor
wird eingewendet, dafs fich bei derfelben leicht Schwefel in Geftalt eines äufserft
zarten Pulvers in feinfter Zertheilung fo in den Poren des gebleichten Stoffes
feftfetzt, dafs es fall unmöglich ift, denfelben durch Wafchen zu entfernen.
Es wird demnach von Dr. Schuchardt in Görlitz die Anwendung der von ihm
fabriksmäfs in Form eines trockenen Salzes bereiteten doppelt fchwefligfaueren
Natrons empfohlen.
* Dingler's Journal CLXXX1, p. 41.
** Berichte der deutfehen chemifchen Gefellfchaft. Band 111. 1870, p. 40.
*** Dingler’s Journal CCV1, p. 375.
j Wagner’s Jahresbericht 1869, p. 190.