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Johann Lauer.
Im Jahre 1870 wurden vom k. k. technifchen und adminiftrativen Militär
comite kleine Mengen Schiefswolle für Verfuchszwecke comprimirt — feither
wird jedoch in Oeflerreich keine Schiefswolle mehr erzeugt.
Gegenwärtig hat die Schiefswolle die gröfste Verwendung in England, wo
fie in der Fabrik des Herrn Prentice in Stowmarket nach Abel’s Princip her
geftellt wird.
Der Chemiker Abel des englifchen Kriegsminifteriums war beftrebt, die
Eigenfchaften der unter verfchiedenen Bedingungen erzeugten Schiefswolle zu
erforfchen. Seiner Anfchauung nach war das Hauptgebrechen der öfterreichifchen
Schiefswolle, dafs felbfl durch die am weiterten getriebene Reinigung der Wolle
nicht alle Unreinigkeiten entfernt werden konnten und die fertige Schiefswolle
daher immer noch geeignet war, fich zu verändern und zu zerfetzen.
Der Hauptgewinn der Abel’fchen Unterteilungen war die Befeitigung des
erwähnten Uebelftandes. Im Jahre 1865 lehrte Abel eine neue Methode der Schiefs
wollerzeugung. Die Wolle wird zuerft in einem Holländer gemaifcht und die
Maifche in Kuchen geprefst. Diefe Methode wird in Stowmarket von Prentice
angewendet.
Die Vortheile, welche durch Abel’s Procefs im Vergleiche zu dem Lenk’fchen
erreicht werden, find fehr hervorragend. Bei der Lenk’fchen Methode wurde eine
langfaferige theuere Wolle verwendet, während nach Abel’s Methode Wollabfälle
genommen werden. Bei dem Abel’fchen Proceffe ift die Fafer auf fo kleine Theile
zerfchnitten, dafs das Entfäuern der Wolle leicht ftattfindet und das Zurückbleiben
von Unreinigkeiten auf ein Minimum reducirt ift. Die Nitrirung ift eine vollftän
digere als bei Lenk und die fertige Schiefswolle felbft in tropifchem Klima ftabiler
als die Öfterreichifche Schiefswolle. Ferner ift die Erzeugung der comprimirten
Schiefswolle ungefährlich, weil während der ganzen Verarbeitung das Material
feucht ift.
Ein weiterer Vortheil der comprimirten Schiefswolle gegenüber der lofen
befteht darin, dafs letztere, um ihre volle Kraft zu äufsern, ftets in einem ftarken
Gefäfse eingefchloffen werden mufste ; während diefs bei der Abel’fchen Wolle
entbehrlich wird. Es hat nämlich Dr. Brocon in Woolwich durch Verfuche
erwiefen, dafs durch ftarke Knallpräparate die comprimirte Schiefswolle auch
ohne feilen Einfchlufs, ähnlich wie Nitroglycerin oder Dynamit, ihre volle Explc-
fivkraft entwickelt.
Diefe Anwendung von Nobel’s Erfindung ermöglichte erft die ausgedehn
tere Verwerthung der englifchen Schiefswolle.
Gegenwärtig werden in England Verfuche gemacht, feuchte Schiefswolle
durch Anwendung von trockenen Zündpatronen zur Explofion zu bringen.
Man hat nämlich die Erfahrung gemacht, dafs die Schiefswolle im naffen
unentzündlichen Zuftande transportirt, im Waffer aufbewahrt, vollkommen unver
verändert bleibt, jind trotz ihres hohen Waffergehaltes doch die Explofionsfähig
keit und hohe Kraftentwicklung bewahrt. Diefe Eigenfchaften mufsten der Schiefs
wolle eine bedeutende Ueberlegenheit über andere Sprengpräparate geben,
und fie find es auch, welche in Preufsen zu Verfuchen mit Schiefswolle
anregten.
Von comprimirter Schiefswolle waren Scheiben von verfchiedener Gröfse,
wie felbe nach der Methode des Profeffors Abel in Stowmarket erzeugt werden,
von Mahler & Efchenbacher ausgeftellt.
Ferner hatte noch Punfhon aus London Schiefswolle in Imitation zur
Anfchauung gebracht, wie folche für Gewehrmunition verwendet wird.
Punfhon mifcht die Schiefswollmaifche mit Rohrzucker und Kalifalpeter,
er vermindert hiedurch die Brifanz der Wolle, kommt alfo letztere dem Schwarz
pulver in diefer Beziehung näher, ohne jedoch die üble Eigenfchaft desfelben,
nämlich ftarkes Befchmutzen des Gewehrlaufes zu befitzen. Ein geringer Rückftand
bleibt allerdings bei Punfhon’s Präparat auch zurück.