Marinewefen. 3
gebiete für feine Induflrie-Erzeugniffe weit über die Grenzen des Nachbarftaates
ausgedehnt. So wird das Material zur Arbeit vermehrt und die Sicherheit des
Verkaufes der Erzeugniffe, die Bürgfchaft diefer Arbeit, weil nicht mehr abhängig
von den Ernte-Ergebniffen oder fonftigen veränderlichen Verhältniffen einzelner
Provinzen oder Nachbarländer, gefteigert.
Diefer Erfolg kann materiell allerdings auch durch- den vermittelnden
Seeverkehr anderer Staaten erzielt werden, und wenn ein Induftrieftaat, wie die
Schweiz z. B., keine Seeküfte hat, bleibt ihm auch kein anderer Weg übrig
Hiedurch erwächft aber nicht nur eine grofse Abhängigkeit von den Zuftänden
des vermittelnden Seeftaates, fondern es entgehen dem eigenen Staatsbürger die
gewichtigen, intelle&uellen Vortheile, die fonft der dire&e Verkehr mit fernen
Ländern und die unmittelbare Erkenntnifs ihrer Zuflände und Bedürfniffe mit fich
bringen; ganz abgefehen davon, dafs der Seeverkehr an fich eine grofse Induflrie
darftellt, deren Förderung dem Staate zu Gute kommt wie die Förderung der
Induflrie überhaupt.
Das Seewefen nun hat die Aufgabe, den Seeverkehr ficher, rafch und
billig zu geflalten.
Was die bereits erzielte Rafchheit der Seefahrten anbelangt, fo genügt
zu deren Würdigung zu erinnern, dafs ein guter Dampfer die Fahrt von Europa
nach Amerika, welche früher 6 bis 8 Wochen erheifchte, heute in 9 bis 10 Tagen
zurückzulegen vermag.
Auch die Sicherheit ifl bereits weit gediehen. Eine englifche Gefellfchaft, die
feit zwanzig Jahren in Taufenden von Fahrten über eine Million Paffagiere über den
Ocean gebracht hat, rühmt fich, dafs noch kein einziger ihrer Paffagiere in der
See umgekommen ifl. Wenn nun auch diefe Behauptung fo weitgehend ifl, wie fie
nicht einmal die beflverwaltete Eifenbahn für ihren Perfonenverkehr aufftellen
könnte und wir jedenfalls eine fo gar grofse Sicherheit zur See noch nicht erreicht
haben, fo ifl es doch gewifs, dafs fchon heute die Zahl der Unglücksfälle mit
Dampffchiffen im Verhältniffe zur Zahl der beförderten Perfonen nicht den
zwanzigflen Theil der früheren beträgt, welche vor Erfindung der Dampffchiffe
fich ereigneten. Freilich find auch diefe verhältnifsmäfsig feltenen Unglücksfälle
durch die Menge der dadurch Betroffenen und durch die Tragik der Scenen, die
fich hiebei meifl zu ereignen pflegen, abfchreckend genug, und es mufs noch Vieles
verbeffert werden; immerhin flellt aber fchon das jetzige Stadium des See
Verkehres in Bezug auf Rafchheit und Sicherheit gegen ehedem einen grofsen
Erfolg dar. b
Diefer Erfolg ifl nun nicht dem Dampffchiffe allein zu danken; denn
nicht die offene See allein, auch die Kliffen und Untiefen bergen Gefahren; nicht
die Gefchwindigkeit des Schiffes allein, auch die Mittel zur Beftimmung der zu
verfolgenden Richtung im Meere, die Leichtigkeit der Einfahrt und des Aus- und
Einladens im Hafen bedingen die Rafchheit des Seeverkehres; nicht allein der
Preis der Kohlen und Schiffsmaterialien, auch die Tüchtigkeit der Seeleute, die
geeigneten Vorkehrungen zur Inftandhaltung der Schiffe und der wirkfame Schutz
der ganzen Handelsintereffen bedingen die Billigkeit des Seeverkehres.
Diefs Alles nun erheifcht eine ganze Fülle von Vorkehrungen :
Genaue Seekarten und fmnreiche Inftrumente, zu deren Schaffung erff
die Aftronomie und die ganze Phyfik ihre Lehren geben mufsten, orientiren
den Führer des Schiffes auf offener See bei Tag und bei Nacht, bei Sonne und
bei Nebel über die Stelle, wo er fich befindet, und über die Richtung, die er ein-
zufchlagen hat.
Leuchtthürme und Warnzeichen, deren Errichtung und Betrieb die Intelli
genz und die Thätigkeit einer Menge tüchtiger Leute erheifcht, warnen den See
mann vor den Gefahren der Kiiften und Untiefen.
Geräumige Häfen, durch kunftreiche Dämme und fchwierige Uferbauten
gefchaffen, bieten dem Schiffe nach vollendeter Fahrt ficheren Aufenthalt; Hebe