Der deutfche und öfterreichifch-ungarifche Verlagsbuchhandel.
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Die Zahlen der erfchienenen Werke von 1867 Dis 1870 find nach dem
öfterreichifchen Bücherkataloge zufammengeftellt, und da diefer feit 1870 wegen
Mangels an Abfatz nicht mehr erfcheint, fo fehlen für 1871 bis 1872 halbwegs
fichere Anhaltspunkte zu einer Ueberficht. Das alphabetifche Regifter der Biblio
graphie in der öfterreichifchen Buchhändlercorrefpondenz ift fehr unvollftändig,
da viele Verleger die Einfendung ihrer Publicationen an die Redaktion verfäumen.
Es kann übrigens mit Beftimmtheit angenommen werden, dafs die Produktion in
den letzten drei Jahren wefentlich zugenommen hat.
Was nun den öfterreichifchen Verlag im Allgemeinen anbelangt, fo hat
er ohne Zweifel in den letzten Jahren abermals entfchiedene Fortfehritte gemacht.
Die beftehenden Firmen haben fich erweitert und viele neue find entftanden,
welche rüftig vorwärts ftreben. Die Ausftattung des öfterreichifchen Verlages
der hervorragenden Firmen entfpricht den modernen Anforderungen. Zahlreiche
Buch- und Steindruckereien wovon einige wahrhaft ausgezeichnete
Arbeit liefern, flehen zur Dispofition, mehrere xylographifcheAnftalten
leiften das Befte. Das öfterreichifche P a p i e r ift im Ganzen genommen gut,
theilweife vorzüglich, verhältnifsmäfsig wohlfeil. Doch auch hier, wie im deut-
fchen Reiche fpielt der Holzftoff fchon eine grofse Rolle. Auch die mit dem
öfterreichifchen Buchhandel im Verkehre flehenden Buchbindereien haben
fich grofsentheils reorganifirt und einzelne von ihnen find im grofsen Stile ein
gerichtet und den höchften Anforderungen entfprechend. Was die Preife der
Bücher öfterreichifchen Verlages betrifft, fo find fie im Allgemeinen mäfsig und
epneurrenzfähig. Auch hier find freilich durch die Setzerftrikes Vertheuerungen
entftanden. Ueber Honorare gilt inOefterreich das, was über die des deutfehen
Reiches gefagt wurde. Im Grofsen und Ganzen ift der öfterreichifche Verlag in reger
Entwicklung begriffea Wenn es auffiele, dafs das grofse Oefterreich im Verhält
nis zu dem deutfehen Reiche eine fo geringe Summe literarifcher Produkte
liefere, fo mufs zur Erklärung diefer Thatfache zweierlei erwogen werden. Erftens
waren die Verhältniffe in Oefterreich vor dem Jahre 1848 aufserordentlich
ungünftig. Ich glaube nicht nöthig zu haben, die allbekannten traurigen Zuftände
unter der vormärzlichen Cenfur näher zu beleuchten. Faktum ift, dafs in dem
langen Zeiträume feit Jofef s II. Tod bis 1848 weder Autoren noch Verleger
gedeihen konnten. Auf Koften diefer unglücklichen Verhältniffe entwickelte fich
„draufsen im Reiche“ ein mächtiger Verlagsbuchhandel, gegen welchen die Con-
currenz der öfterreichifchen jungen Generation nun freilich einen fehr fchweren
Stand hat. Zweitens mufs bedacht werden, dafs mehr als die Hälfte Oefterreichs
von nichtdeutfchen Stämmen bewohnt ift, deren mittlere und untere Schichten
noch auf einer fehr niederen Stufe der Cultur flehen. Für die Gebildeten diefer
Stämme hat fich aber in den letzten zehn Jahren eine „nationale“ Literatur
entwickelt, welche der Kräftigung und dem Abfatze deutfehen Verlages fehr hin
derlich ift.
Ungeachtet der freien Bewegung, welche die erleuchtete Regierung unferes
Monarchen dem Bücherverlage geftattet, hat die Produktion deutfeher Bücher in
den letzten Jahren im Inlande viel Terrain durch die erwähnten nationalen Beftre-
bungen verloren. Im Auslande aber fteht ihr, wie bereits gefagt. eine übermächtige
Concurrenz gegenüber, und dies ift auch der Grund, warum der öfterreichifche
Verlag im Durchfchnitte einen vorwiegend localen Charakter hat und wenig expor-
tirt wird.
Der öfterreichifch-deutfche Verlag kämpft alfo mit grofsen Schwierigkeiten,
und es ift nur noch die Frage, ob fich diefer Zweig der Induftrie, welcher, wie
kaum ein anderer, dem Lande, wo er blüht, Ruhm und Ehre bringt, nicht wefent
lich heben liefse.
Nach meiner unmafsgeblichen Meinung würde es dem Verlagsbuchhandel
fördernd fein, wenn fich mehr Kräfte dem Verlage ausfchliefslich widmen möchten.
Bis jetzt gibt es in Oefterreich wenige Verlagsbuchhandlungen, welche nicht