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Dr. Carl Th. Richter.
der grofsen Muflerftadt Mühlhaufen der Erfolg der angelegten Bibliothek lange
zweifelhaft war und in befter Weife fichergeftellt wurde, als andere fociaie Inftitu-
tionen, wie Arbeiterwohnungen, Penfionscaffen. Arbeiterfchulen u. f, w. eingerich
tet wurden und fich bewährten, fo fcheint auch bei den Bibliotheken unferer
Verkehrsanftalten, die übrigens alle auch noch fehr jung, find und auf die Anregung,
welche die Parifer Ausftellung 1867 gab, zurückgeführt werden können, der
Erfolg noch keineswegs fichergeftellt zu fein. Nur die Donau-Dampffchifffahrts-
Gefellfchaft erklärt in der Gefchichte ihrer Kohlenbergwerks-Colonie zu Fünf
kirchen, auf welche wir noch oft zu fprechen kommen werden, und für deren
ganzeErfcheinungundBedeutung wir aufunfere Schrift„Oefterreichifche Pionniere 4 *,
Berlin 1873, verweifen, die Donau-Dampffchifffahrts Gefellfchaft erklärt, dafs ihre
im Jahre 1866 gegründete und heute beiläufig 1300 Bände zählende Arbeiter
bibliothek fo benützt wird, dafs beiläufig jeder Band bei einer Bevölkerung von
2772 Seelen acht- bis zehnmal im Jahre ausgeliehen werde. Die Schulkinder
betheiligen fich an der Erhaltung desBibliotheksfondes durch freiwillige wöchent
liche Einzahlungen von 1 bis 2 Kreuzer. Bei anderen Bibliotheken, wie bei der
Arbeiterbibliothek der Südbahn wird eine Leihgebühr von 5 Kreuzer per Monat
für das Ausleihen eines Buches bezahlt.
Vereinswefen.
Je fchwieriger das Leben in der Gefammtheit wird, defto ernfter wirken
die Verhältniffe auf das Leben der Arbeiterclaffen und der niederen Volksclaffen
überhaupt. Selten begreifen diefe Claffen den endemifchen Zufammenhang der
entfernteren Elemente des modernen Lebens. Je gröfser die Einkommensbil
dungen find, je reicher durch die Entwicklung der einzelnen Zweige der Wirth-
fchaft die Menfchen werden, defto höher fteigen alle Preife. Je mehr Gold in
Europa fich aufhäuft, defto fchwieriger wird es für die arbeitenden Claffen, das
Leben zu unterhalten. Was der Arbeiter fchafft, erzeugt und verwandelt fich in
Gold, was aber keineswegs den Hunger ftillen und den Dürft löfchen kann. Es
hat die Arbeiter Englands fehr erbittert, dafs oft fabelhafte Capitalien keine Ver
wendung finden können und fie haben geglaubt, dadurch allein ihre Lage zu ver-
beffern, wenn fie beffer bezahlt werden. Aber in demfelben Mafse, als fich die
Arbeitslöhne erhöhten und in England in allen Gewerben zugenommen haben, find
alle Preife geftiegen und fteigen auch allenthalben bei den gleichen Verhältniffen.
Die zunehmende Theuerung der Preife hat das fociale Problem fehr tief in das
: ewufstfein der Völker gebracht. Man hat einft bei der Erkenntnifs der Noth die
Bäckerläden geftürmt, und noch vor einem Jahre haben die Frauen in Schottland
den Befchlufs gefafst, fo lange kein Fleifch zu kaufen, bis es billiger geworden ift.
Auch die wirthfchaftlichen Gelehrten kamen zu beftimmten Vorfchlägen und es
ift bekannt, dafs in derNothzeit des Jahres 1849 Prouthon behauptete, man könne
die Noth der Arbeite, nur durch die Verminderung ihres Einkommens vermindern
man müde daher den Arbeitern um 25 Percent weniger Lohn geben, aber auch die
Summe aller anderen Preife um gerade fo viel verringern. Nur dadurch kann man
den Kaufwerth des Geldes felbft vermindern. Man ift feit Langem abgekommen,
durch folche radikale Mittel Hilfe zu erreichen und hat fich gewöhnt, die Philo-
fophie des Elends zu fludiren und auf den Grund der Sache einzugehen. Wir
haben hier nicht die Aufgabe, die Gefchichte der gefammten focialen Bewegung
zu fchreiben. Es genügt die Bedeutung der einzelnen Fragen zu kennzeichnen.
^ ielleicht zieht man daraus für die Zukunft und zumeift für die Aufgabe der Aus
heilungen Nutzen. Es ift freilich eine fchwierige Sache, aber es wäre auch
unbedingt eine fehr lohnende Aufgabe, die Summe aller Behelfe darzuftellen,
welche die Zeit, die Mühe und Sorge der Einzelnen, vor Allem aber das Vereins
wefen gefchaffen hat, um Leben und Entwickelung der arbeitenden Claffen und