Rufsland.
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Da nun diefe Kohlenlager in nächfter Nähe der Eifenerz-Ablagerungen
vorhanden find, wie im Werten, namentlich im Kreife Olkufch im Königreiche
Polen, fo find dort die Grundbedingungen vorhanden, um auf der gehinderten
Bafis eine grofsartige Eifeninduftrie ins Leben zu rufen.
Die Vorbedingungen für die metallurgifche Induftrie find daher hier mehr
wie in vielen anderen Ländern gegeben, und dürfte in Folge deffen der auf
fallende Umftand, dafs Rufsland bis jetzt noch nicht in der Lage ift, feinem grofsen
Bedarfe durch eigene Produdion zu genügen, nur der mangelnden Unterneh
mungsluft und der Befriedigung zuzufchreiben fein, die das Capital in
anderen Unternehmungen findet, welche weniger Mühe und Fachkenntnifs
erheifchen.
Wenn man nun in Betracht zieht, dafs auch Wälder von grofser
Ausdehnung am Ural in der Nähe der Erzlager fich befinden, fo wird
man umfomehr die Behauptung gerechtfertigt finden, dafs Rufsland durchaus
die Mittel befitzt, um feine todten Schätze lebendig und fruchtbringend zu
machen.
Gegenwärtig beträgt die jährliche Confumtion von Holz zu Hütten
zwecken 2.216.895 Pud, von Kohle 102,423.100 Pud.
Selbft die Bevölkerung am Ural genügt für einen weitaus • gröfseren
Betrieb, während im Süden Rufslands, wo naturgemäfs die Roheifen-Erzeugung
mittelfl Steinkohle gefchehen müfste, die Befchaffung der Arbeitskräfte nicht
ohne Schwierigkeiten vor fich gehen dürfte.
In den letzten 10 Jahren hat die ruffifche Berg- und Hütteninduftrie
grofse Fortfehritte gemacht, aber diefelben genügen, wie erwähnt, noch lange
nicht, um den eigenen Bedarf auch nur annähernd zu decken.
Immerhin ift aber ein Fortfehritt zu conftatiren, und nachdem die grofsen
1 ransportfehwierigkeiten wenigftens in einigen Gegenden des Reiches behoben
find, ift mit Sicherheit anzunehmen, dafs diefe wichtigfte aller Induftrien in ein
günftiges Stadium ihrer Entwicklung getreten ift.
Die wichtigften Gouvernements für Berg- und Hütteninduftrie find: Perm,
Orenburg und Ufa, welche man die Gouvernements des Ural nennen könnte ;
ferner Nifchnei Nowgorod, Tambow, Rjäfan, Penfa, Kaluga, Orel, Olonez, Minfk,
Wilna, Jekaterinoflaw, das Kofakenland am Don, Finnland, Kowno und Sibirien:
Irkutfk, Jakutfk, Transbeikalien und Amur, im Kaukafus: Tiflis, Jelifawetpol, •
am Terek, in Polen: Lublin, Piotrkow.
Seit dem Jahre 1867, welches wir als Ausgangspunkt für unfere Betrachtung
nehmen wollen, haben fich auch in Rufsland fehr bedeutende Neuerungen einge
bürgert; es find die wichtigften hievon die Fabrication des Martinflahles, die Ver-
gröfserung der Kanonengiefsereien, welche, wie die Ausftellung zeigt, nunmehr
im Stande find, Stücke bis zu 800 Centner im fertigen Zuftande auszuführen,
die Einführung des Beffemerproceffes, fowie die Fabrication der Kanonen nach dem
amerikanifchen Verfahren, um Stücke mit einem Kaliber bis zu 20 Zoll herzuftellen.
Bezüglich der wiffenfchaftlichen Ausbildung der Bergingenieure kann man
ebenfalls die beften Refultate conftatiren; die Bergfchule wird ftark frequentirt,
die Lehrmittel-Sammlungen werden mit den neueften Erfahrungen bereichert, und
durch häufige Reifen nach dem Auslande wird auch der geiftige Verkehr mit den
Koriphäen der Wiffenfchaft rege gehalten.
Oefterreichs gröfste Autorität, Hofrath Tunner in Leoben, hat fich in
feiner Reifebefchreibung über ruffifche Bergwerke vom Jahre 1870 aufserordentlich
günftig ausgefprochen.
Einen Beweis für die günftigen Refultate diefes wiffenfchaftlichen Strebens
liefert der Umftand, dafs fich die geologifchen Karten des ruffifchen Reiches in
erfreulicher Weife vermehrt haben, während man noch vor einem Jahre abfolut
kein Exemplar derfelben finden konnte.
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