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Wilhelm von Lindheim.
Das Centrum der zweiten Gruppe bildet die Stadt Kiew; hier find die
Ausdehnungen der fchiffbaren Flüffe bei Weitem nicht fo grofs als in der
erften Gruppe.
Zur befferen Ueberficht der Verkehrswege des Reiches, der Wafferflrafsen
und der Eifenbahnen, und zur Vergleichung derfelben unter einander und mit
dem Flächeninhalte und der Einwohnerzahl, für jedes Gouvernement geordnet,
diene umflehende Tabelle.
Aus diefer Tabelle erfieht man, dafs die Länge der Eifenbahnen und der
fchiffbaren Flüffe im europäifchen Rufsland (mit Ausfchlufs des Grofsfürffcenthums
Finnland und des Königreiches Polen) 48.264 Werft beträgt; davon kommen
75‘39 Percent auf die Wafferftrafsen und 24 61 Percent auf die Eifenbahnen.
Nur ein einziges Gouvernement, das Kurfkifche, hat keine Wafferftrafsen
(allerdings befindet fich dort der Flufs Sejin, der vor Zeiten als fchiffbar galt;
gegenwärtig wird derfelbe jedoch nicht mehr befahren), während Eifenbahnen
noch in vierzehn Gouvernements fehlen, nämlich in den Gouvernements Archangel,
Aftrachan, Wologda, Wjatka, Kafan, Kaluga, Olonez, Orenburg, Penfa, Perm,
Samara, Simbirfk, Taurien und Ufa.*
Durchfchnittlich kommt eine Werft Wafferftrafse auf 1141 Quadratwerft
Oberfläche und auf 1749-5 Einwohner; eine Werft Eifenbahn auf 3495 Quadrat
werft Oberfläche und 5359‘9 Einwohner und eine Werft Wafferftrafse und Eifen
bahn zufammen auf 86 0 Quadratwerft Oberfläche und 1319 Einwohner. Doch ift
die Vertheilung diefes Verhältniffes auf die einzelnen Gouvernements eine fehr
ungleiche. Am günftigften find in Betreff der Verkehrswege die Gouvernements
Archangel, Wologda, das Land der donifchen Kofaken, Grodno, Minfk, Moskau,
Nowgorod, Orel, Perm, St. Petersburg, Cherfon, Tambow und Eftland geftellt
Von diefen haben die Gouvernements Archangel, Wologda und Perm nur Waffer
ftrafsen, welche blos einen Theil des Jahres hindurch — fünf bis fechs Monate
lang— zu gebrauchen find; in den Gouvernements Moskau, Orel, Tambow,
Cherfon und Eftland bilden die Eifenbahnen das hauptfächlichfte Verkehrsmittel,
und nur in den Gouvernements St. Petersburg, Nowgorod und dem Lande der
donifchen Kofaken find beide Arten Wege von gleicher Bedeutung. In der
ungünftigften Lage befinden fleh die Gouvernements Taurien**, Penfa und vor
Allem Orenburg, in welchem eine Werft Wafferweg und Eifenbahn zufammen
auf 2104 7 Quadratwerft Oberfläche und auf 10.508 8 Einwohner kommt.
Zum befferen Verftändnifs der volkswirthfchaftlichen Bedeutung der Flüffe
und Eifenbahnen für die einzelnen Gegenden des Reiches wäre eine genaue
Befchreibung der Landftriche oder wenigftens der Ortfchaften nöthig, durch
welche diefe Verkehrswege führen. Leider aber waren genaue Angaben über die
Einwohnerzahl und die Ortfchaften im Rayon der Eifenbahnen und Flüffe gegen
wärtig noch nicht zu befchaffen möglich, und bleibt diefe Arbeit einer fpäteren Zeit
Vorbehalten.
Obgleich die Unterfuchung über den Auf- und Zugang der Flüffe nicht
Sache der Flufsfchifffahrts-Statiftik ift, fo dürfte fie doch nicht übergangen werden,
wenn man genauer die commercielle Bedeutung der Flüffe für das Land ermeffen
will, da von dem Auf- und Zugänge der Flüffe die Dauer der Navigation in jedem
Jahre abhängt. Die mittlere Dauer der Schifffahrt für Rufsland ergibt fleh aus
diefer Unterfuchung mit 239 Tagen oder 7 1 /., bis 8 Monaten; im nördlichen Theile
des Reiches find es 6 bis 6y 2 Monate, im füdlichen 8 bis 10 Monate. Die füd-
weftliche Gruppe — die Wafferfyfteme des Schwarzen und des füdlichen Theiles
des Baltifchen Meeres — hat eine längere Navigationsdauer als die nordöftliche
Gruppe, denn während in erfterer Gruppe nach dem fünfjährigen Mittel die
* In einigen von (liefen Gouvernements werden gegenwärtig Eifenbahnen gebaut; dem
Verkehr find fie aber noch nicht übergeben.
** Offenbar würde fich hier das Verhältnifs wefentlich anders geftalten, wenn die
angrenzenden Meere als Verkehrsmittel mit in Rechnung gebracht wären.