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Wilhelm von Lindheim.
II. Der mittlere Unterricht. (Tabelle Seite 37.)
A. Gymnafien. Rufsland befafs am 1. Januar 1S71 einfchliefslich des
Alexander-Inftitutes zu Nifchnei-Nowgorod, der Ritterakademie zu Reval und des
Erziehungshaufes der kaiferlichen philanthropifchen Gefellfchaft zu St. Petersburg
123 Gymnafien und 23 Progymnafien. Von den erfteren hatten 68 die lateinifche
und griechifche, 43 ausfchliefslich die lateinifche Sprache in ihren Lehrplan auf
genommen. Neu errichtet wurden Gymnafien zu Eletz und Goldingen, Progym
nafien zu Rjäfan, Charkow, Kafan, Penfa, Odeffa, Cherfon und Kifchinew. & Die
Gefammtziffer der Zöglinge in beiden Anftalten beträgt 42.791, um 3720 mehr
als im Vorjahre. 1804 Schüler — um 14 mehr als 1870 — haben ihre Studien
vollendet. Nach neueften Beftimmungen des fehr eifrigen und einfichtsvollen
Reffortminiilers find die alten Claffiker zu einem indispenfablen Gegenftande des
Gymnafial-Unterrichtes gemacht worden.
Dem gröfseren Theile der Gymnafien und Progymnafien wurden in jüngfter
Zeit Vorbereitungsclaffen beigegeben, von deren Zweckmäfsigkeit und Nützlich
keit man fich viel verfpricht. Das Schulgeld beträgt in den Gymnafien pro anno
75 Rubel, in den Vorbereitungsclaffen 50 Rubel.
Der Unterhalt der Gymnafien und Progymnafien erforderte im Jahre 1871
einen Aufwand von 4,467.644 Rubel 70 Kopeken; 3,215.887 Rubel 49 Kopeken
oder ungefähr 72 Percent von diefer Summe fielen dem Staate zur Laft. Die
Provinzialftände und ftädtifchen Behörden haben zum Gymnafialfonds 487.456
Rubel, alfo circa 10 Percent des ganzen Koftenbetrages, beigefteuert.
C. Von fremden Kirchen abhängige Lehranftalten mit den
Vorrechten der Staatsgymnafien befitzt Rufsland drei, fämmtlich zu St. Petersburg,
mit einer Schülerzahl von 1365: das St. Annen-, das Peter- und das reformirte
Gymnafium.
D. Fachfchulen. Die Handwerker-Schule zu Lodz wird von 184 Schülern,
die Handelsfchule zu Odeffa von 149 und die Talmudfchulen zu Wilna und
Jitomir von zufammen 798 befucht. Für die beiden letzteren Anftalten liegt eben
falls ein Reformplan vor.
III. Der Unterricht in den Anfangsgründen.
A. Diftrictsfchulen. Man zählt 424 meift dreiclaffige Anftalten mit
27.830 Schülern. Diefelben werden ihres fehr verbefferungsfähigen Zuftandes
wegen einer totalen Umgeflaltung unterworfen. Der hierauf bezügliche Plan hat
die kaiferliche Beftätigung bereits erhalten.
B. El einen tarfchulen befafs Rufsland zu Ende des Jahres 187116.739
mit 675.317 Schülern; ausfchliefslich der in den Gouvernements Wilna und Kiew
beftehenden Pfarrfchulen und der Dorffchulen des Gouvernements Dorpat. Alles
zufammen dürfte die Anzahl der Primarfchulen fich auf rund 24.000, diejenige
der Zöglinge auf 875.000 belaufen. So grofs auch diefe Summen auf den elften
Blick erfcheinen mögen, fo unzureichend find diefe Anftalten, wenn man die
Gröfse der Bevölkerung berückfichtigt, und bedenkt, dafs ihre überwiegende
Majorität mit einem mechanifchen Lefen und Schreiben ihren Zöglingen den
höchft erreichbaren Grad von „Bildung“ beigebracht zu haben glaubt. Hier ift
ein Gebiet, auf welchen Graf Tolfto'i noch unendlich viel zu wirken findet. * In
* Dem regen perfönlichen InterefiTe A 1 e x a n d e r's II. an der culturellen Hebung feines
Volkes gibt das folgende fchöne Refcript an den Grafen D. A. Tolstoi den beredteilen
Ausdruck:
„Graf Dimitrij Andrewitfch! Bei Meiner beltändigen Sorge für das Wohl Meines Volkes
wende Ich Meine befondere Aufmerkfamkeit der Sache der Volksbildung zu, indem Ich darin
die bewegende Kraft jeden Fortfehrittes und die Beteiligung jener fittlichen Grundlagen erblicke
auf denen das Reich errichtet ift. Um die felbftftändige und fruchtbringende Entwicklung der
Volksbildung in Rufsland zu fördern, beftätigte Ich in den Jahren 1870 und 1871 die folchen
Meinen Abfichten entfprechenden Statuten der Ihrem RelTort unterftellten mittleren Lehr-
anftalten; diefelben follen der fich zur Befchäftigung mit den höheren Wilfenfchaften vorberei-