Rufsland.
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erfler Reihe fehlt es an fähigen Lehrkräften, in zweiter an einer entfprechenden
Dotation des Elementar-Schulwefens; 15 Lehrerfeminare befafs zu Beginn des
Jahres 1871 Rufsland Alles in Allem. Im Laufe des Jahres 1871 errichtete das
Minifterium zehn neue derartige Inftitute, ohne aber dadurch das koloffale Bedürf-
nifs auch nur annähernd befriedigen zu können.
Für diefe 24.000 Elementarfchulen verwendete der ruffifche Staat im
Jahre 18713,415.188 Rubel, alfo'für jede derfelben ungefähr 142 Rubel, eine Summe,
deren Höhe mit dem Zuftande diefer Anftalten allerdings harmonirt. Das Amt
eines Volksfchul-Lehrers dürfte auch in Rufsland kaum zu den beneidens-
wertheren Berufsarten zählen.
Auch fehlt es an paffenden Schullocalitäten. Von den 599 Schulen des
Gouvernements Tula befitzen deren nur 12 felbflftändige Häufer. Die übrigen find
auf jede mögliche Weife untergebracht, und dafs in diefem Falle die Comfort-
und Gefundheitsfrage keine befonders günflige Berückfichtigung findet, ift leicht
zu begreifen. Im Jahre 1872 verwendete Rufsland auf die Pflege des Unterrichtes
circa 18 Millionen Rubel, während das Budget des Kriegsminifteriums deren 156
in Anfpruch nahm. Wenn einmal der Augenblick kommen follte, in welchem
Rufsland für feinen Unterricht 156 Millionen und für fein Heer 18 Millionen
Rubel verwenden wird, dürften auch die ruffifchen Schulen nichts mehr zu
wünfchen übrig laffen.
Das „Point d’argent, point de Suiffe“ gilt, ohne jegliche injuriöfe Anzüg
lichkeit, in ungleich höherem Grade wohl von tüchtigen Lehrkräften; ausgediente
Unterofficiere und Bediente können hiezu freilich nicht gerechnet werden.
Einen noch humoriftifcheren Anftrich gewinnt die Dotirung der öffent
lichen Anftalten, wenn man erwägt, dafs beifpielsweife von den oben erwähnten
Unterhaltungskoflen der Elementarfchulen mit 3,415.188 Rubel auf die Staats-
caffe felbft etwa der fünfte Theil mit 703.541 Rubel 621/4 Kopeken entfällt,
während die weiteren 80 Percent von den Communen und Landftänden zu tragen
tenden Jugend eine durchaus gründliche, allgemeine Bildung geben und auch Diejenigen zu
einer nutzbringenden, praktifchen Thätigkeit befähigen, die lieh nicht den höchften Studien
zuzuwenden beabfichtigen. Nicht minder beforgt auch dafür, dafs das Licht guter Bildung i n
allen Volksfchichten Verbreitung finde, befahl Ich die Gründung von Lehrinftituten und
Seminarien zur Ausbildung von Lehrkräften für die ftädtifchen und ländlichen Volksfchulen.
Gleichzeitig ift diefen Schulen felbft die dafür vorgefchriebene, ordnungsmäfsige Einrichtung
und Ausbildung zu geben, entfprechend den Zeitbedürfniffen und dem gegenwärtig überall im
Reich bemerkbaren Streben nach Bildung. Ich hoffe, dafs die demzufolge zu erwartende beträcht
liche Vermehrung der Volksfchulen unter der Bevölkerung zugleich mit den Elementarkennt-
niffen auch ein klares Verftändnifs für die göttlichen Wahrheiten der chriftlichen Lehre mit
lebendigem und thatkräftigem Gefühl für die fittlichen und bürgerlichen Pflichten verbrei
ten %vird ‘ Aber die E rre i c j lun g eines für das Wohl des Volkes fo wichtigen Zieles mufs im Vor
aus fichergeftellt werden. Das, was nach Meinen Vorzeichnungen zur wirklichen Aufklärung
des heranwachfenden Gefchlechtes dienen foll, könnte bei mangelhafter Ueberwachung leicht
in ein Werkzeug zur Entfittlichung des Volkes verkehrt werden (wie einige Verfuche der
Art bereits feftgeftellt wurden), und dasfelbe jenen Glaubenslehren entfremden, unter deren
Schutz im Laufe von Jahrhunderten Rufsland fleh einigte, kräftigte und grofs wurde.
Durch Mein Vertrauen dazu berufen, Meine Vorzeichnungen in Sachen der Volks
bildung zu verwirklichen, haben Sie den Sie auszeichnenden Eifer allezeit verdoppelt, um die
in das Fundament des öffentlichen Unterrichtswefens niedergelegten Grundfätze des Glaubens,
der Sittlichkeit, des bürgerlichen Pflichtgefühles und die Gründlichkeit des Unterrichts felbft
zu bewahren und vor allen Schwankungen zu fchützen. Dem entfprechend mache Ich es allen
anderen Refforts zur unabweislichen Pflicht, Ihnen in diefer Angelegenheit volle Mitwirkung
angedeihe_n zu^^en.^ y olksb; , dung ; m Qeifte der Religion und Sittlichkeit ift ein fo grofses
und heiliges Werk, dafs der Unterftützung und Kräftigung diefer in Wirklichkeit fo fegens-
vollen Aufgabe fich nicht allein die Geiftlichkeit, fondern alle erleuchteten Staatsbürger zu
widmen haben. Dem ruffifchen Adel, der zu allen Zeiten in Bezug auf Heldenmuth, Ergebenheit
und bürgerliches Pflichtgefühl als Beifpiel diente, gebührt es vorzugsweife, fich diefer Schul-
aufficht zu widmen. Ich rufe Meinen treuen Adel auf, bei der Volksfchule die Wacht zu halten.
Möge er der Regierung beiftehen, durch forgfältige Beauffichtigung am Orte felbft die Schule
vor fchädlichen und verderblichen Einflüffen zu bewahren. Indem Ich dem Adel auch in diefer
Sache Mein Vertrauen zuwende, befehle Ich Ihnen, im Einvernehmen mit dem Minifter der