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Volltext: Russland, officieller Ausstellungs-Bericht

Rufsland. 
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Wir haben hier von derTheuerung des Lohnes und von der Schwierigkeit, 
fich überhaupt Arbeiter zu verfchaffen, gefprochen; aber abgefehen davon, finden 
wir in der Aufzeichnung der landwirthfchaftlichen Enquete noch anderer’grofser 
Schwierigkeiten, welche für den Grundbefitzer obwalten, Erwähnung gethan. Der 
Arbeiter ift feit der Emancipation — fo wird wenigftens behauptet — träge und 
böswillig geworden, und es follen die Fälle häufig genug Vorkommen, wo der- 
felbe von .mehreren Befitzern gleichzeitig Vorfchüffe nimmt und die Gegen- 
leiftung keinem einzigen zu Gute kommt. Die Verlegenheiten, die hiedurch berei 
tet werden, "find umfo gröfser, als die Vernachläffigung eingegangener Verpflich 
tungen meiftentheils in die wichtigfte Zeit, in die Zeit der Ernte, fällt und aufserdem 
die Geldverlufte, welche dadurch veranlafst werden, nicht gering find. Bei der 
grofsen Ausdehnung, welche die Diftri<fte der Friedensrichter haben und bei der 
Langwierigkeit des Civilprocefs-Verfahrens wird eine Klage in diefer Richtung 
rneift gegenftandslos und die Verlegenheit des Grofsgrundbefitzers eine fehr 
grofse ; eine gewiffe Berechtigung läfst fleh diefer Klage nicht abfprechen; es ift 
aber auch dahinzuftellen , ob nicht auch von Seite des Grundbefltzers oftmals 
Pflichtverletzungen vorgekommen find. 
Es darf daher aus dem Vorftehenden mit Recht gefchloffen werden, dafs 
behufs Löfung einer der wichtigften und vitalftenFragen für die Entwicklung der 
Landwirthfchaft in Rufsland eine beffer geregelte Gefetzgebung gefchaffen werden 
mufs,die das Verhältnifs zwifchen Arbeiter und, Arbeitgeber, wie es fchliefslich 
in der ganzen civilifirten Welt jetzt der Fall ift, in präcifere Form zu bringen 
geeignet ift. 
Als Entfchuldigung für die verfchiedenen Contraeftbrüche, deren fleh 
die Arbeiter fchuldig machen, mufs angeführt werden, dafs der ruflifche 
Bauer fich feiner Verilöfse gegen das Gefetz in den meiften Fällen nicht genau 
bewpfst ift. 
Von dem Zeitpunkte an, wo das Gefetz dem Volke beffer bekannt 
fein wird, werden wohl auch diefe jetzt oft wiederkehrenden Streitigkeiten 
behoben werden. 
Die Schwierigkeiten, welche aus allen diefen, wir müffen fagen, abnormen 
Verhältniffen entfpringen, haben auch, wie im Eingänge erwähnt, zu der verfchie 
denen Art der Feldbeftellung geführt. 
Entlohnung durch Terrain. 
Ueberlaffung. Verpachtung. Wir finden in einigen Gegenden, dafs 
der Arbeiter nicht blos feine Handarbeit liefert, fondern feine vollftändigen 
Ackerwerkzeuge beiftellt und in vielen Fällen die Beftellung und die voll- 
ftändige Ernte nach einem vorher vereinbarten Preife in diefer Weife ausge 
führt wird. 
In vielen Gegenden des Südens ift es ferner Sitte, dafs ein Theil der 
Ernte den Arbeitern als Arbeitslohn ausgefolgt wird, und dafs fomit Arbeitgeber 
und Arbeitnehmer durch gleiche Intereffen verbunden find. Es ift wohl natürlich, 
dafs alle diefe zur Gewohnheit gewordenen Landbebauungs-Methoden nur Noth- 
behelfe genannt werden können, denn auf eine gefunde und fortfehreitende 
Ackerbeftellung kann man auf diefe Weife nie und nimmermehr hinwirken. 
Es mufs im Gegentheil conftatirt werden, dafs überall, wo diefer Abufus ftatthat, der 
Landbau in vollftändiger Stagnation fich befindet, und es gehört zu den ernfteftenAuf- 
gaben der leitenden Behörden, diefen Uebelftänden gegenüber Abhilfe zu fchaffen. 
Die Arbeitstheilung ift in der Landwirthfchaft aufserordentlich nützlich; jedoch ift es 
als Verderb und als ein grofser Fehler zu betrachten, wenn die Verpachtung der 
Terrains fich auf kurze Zeit befchränkt. Die Verpachtung auf diefe kurzen Ter-
	        
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