Rufsland.
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als Düngmittel und fäet auf diefem Boden , fo lange man noch eine Ernte
bekommt. Ift dann der Boden erfchöpft, fo bebaut man in ähnlicher Weife
das benachbarte Stück Land.
Ganz ähnlich primitiv ift die Wirthfchaftsw^fe in den Steppengegenden
des füdlichen Rufslands, in der Krim, in Kafan, Aftrachan, Azow und den Ländern
der donifchen Kofaken. Man findet ein Gleiches in den füdlichen Regionen von
Beffarabien und theilweife in Cherfon und in Poltawa.
Hier wie in den Wäldern des Nordens ift keinerlei Fruchtfolge üblich.
Man baut diefelbe Frucht in demfelben Terrain, fo lange es geht, und merkt man
durch eine fehlgefchlagene Ernte, dafs der Boden erfchöpft ift, fo gibt man dann
dem Boden Ruhe, bis man feine Erholung vollzogen glaubt.
In dem übrigen Rufsland, Livland ausgenommen, herrfcht das Dreifelder-
Syltem vor. Eine andere Fruchtfolge zeigt fich nur ausnahmsweife auf den Ter
rains der Centralgouvernements des Weftens. Dort gewinnt diefe Bebauungsart
in den Gouvernements von Kiew und Podolien, namentlich da, wo die Zucker
rübe mit Vortheil angebaut wird, und ebenfo im Gouvernement Kurlkan Ausbreitung.
In den baltifchen Gouvernements ift die Wechfelwirthfchaft bereits feit
längerer Ze t üblich. Eingeführt durch die Grofsgrundbefitzer, ift fie in diefem
Augenblick auch fchon bei den Bauern, und zwar mit grofsem Vortheil, zur
Anwendung gekommen. So ift beifpielsweife in Kurland conftatirt, dafs von
130° Grofsgrundbefitzern 1154, und von 11.906 Bauern 6627, d. i. alfo 88 8,
refpektive 55'^ Percent, die Dreifelder-Wirthfchaft zu Gunften einer rationellen
Fruchtfolge aufgegeben haben.
In Eftland ift diefe moderne Culturmethode noch nicht allgemein, jedoch
nahm man bereits 1867 an > dafs von den Grofsgrundbefitzern 75 09 Percent und
von den Bauern 10*42 Percent regelmäfsige Fruchtfolgen eingeführt haben.
Am meiften bedauerlich bleibt übrigens, dafs bei dem Syfteme der Drei
felder-Wirthfchaft, welches unter Umftänden ebenfalls fchon gute Refultate geben
könnte, die effektiv conftatirten Refultate doch nur höchft mangelhaft find. So
kann man fich nicht verhehlen, dafs der Viehftand bei den Bauern fehr häufig
abnimmt, dafs dadurch der Acker des nöthigen Düngers entbehrt und die
Erträge, ftatt zuzunehmen, fich im umgekehrten Verhältniffe bewegen.
Die Enquete hat einen ferneren Grund für die Verminderung des Vieh-
ftandes und die dadurch hervorgerufene Düngernoth darin gefunden, dafs das
Branntwein-Steuergefetz die Anlagen der grofseren Brennereien aufserordentlich
begünftigt, dagegen den Kleinbetrieb faft unmöglich macht; aber es ift
immerhin gefährlich, diefer Anficht beizupflichten, denn wenn auch momentan ein
anderes Steuerfyftem zur Erhöhung des Viehftandes beitragen würde, fo kann
man doch unmöglich im Intereffe des induftriellen Fortfehrittes wünfehen, dafs
wiederum ein Steuergefetz eingefetzt werde, welches, fo wie es im Werten Europas
der Fall war, bei dem Fortfehritt der Induftrie wiederum einer rationellen
Gebarung weichen müfste.
Wir geben nun nachfolgend nach den Mittheilungen der Commiffion die
gefammte Ziffer der landwirthfchaftlichen Produktion und bemerken, dafs diefs die
reproducirten Daten der officiellen Schätzungen find.
Ausfaat Ernte
In den Jahren Tfchetwert Tfchetwert
1800 bis 1813
1834 1840
1840 1847
1857 1863
1870 1871
48,800.000
P
59,214.000
63,589.000
67,643.000
155,000.000
179,000.000
2O9.732.OOO
220,000.000
248.OOO.OOO
Hienach findet fich, dafs die Zunahme der zweiten Periode im Vergleich
mit der erften Periode, von welcher fie durch einen Zwifchenraum von 20 Jahren