Schulbauten und Einrichtungen.
11
fämmtliche Pläne des Objedles und der Einrichtung desfelben fo gehalten, dafs
kleine Gemeinden dasfelbe durch gewöhnliche Werkleute nachbilden oder fehr
leicht die nöthigen Abänderungen treffen können.
Von der internationalen Jury nicht freundlich angefehen, vornehm oder
mit Abficht in feinen Einzelheiten ignorirt, * hat diefes Objedl eine nicht gewöhn
liche Anerkennung bei den Gebildeten aller Länder gefunden. Das Gedenkbuch
der Schule weift — neben mancher Spreu — die herzliche und achtungsvolle
Zuftimmung denkender Männer aller Zungen Europas, aber auch von Japanefen
und Chinefen und von Anglo-Amerikanern auf.** Wenig Objedle der Ausftellung
find im Auslande fo oft befprochen worden als diefes. Mit Ausnahme eines
Blattes (einer Turnzeitung) fprach fich die Preffe des In- und Auslandes dahin
aus, dafs wohl Einzelheiten geändert und verbeffert werden dürften, dafs aber
das Ganze ein Mufter für alle Länder fei. (In technifcher Beziehung find folgende
Verbefferungsvorfchläge gemacht worden: Aus der Küche des Lehrers möge noch
ein Zimmer, aus dem Vorhaufe die Küche gemacht werden; das Schulzimmer möge
(6 bis 9 Zoll) länger und breiter, die fo gewonnene Breite der Stiege zugelegt
werden; die Garderobe folle gröfser und lichter, die Aborte mögen lichter und
ihre Achfen zweckmäfsiger geftellt werden; die Turnhalle möge höhere Fenfter
oder Oberlicht erhalten.)
Maffenhaft, d. i. zu Taufenden, wurden Pläne und Befchreibung des Objedles
fchon während der Ausftellung zum Zwecke der Nachbildung gekauft und in die
Ferne wie in die Fremde gefchickt. Die dem öfterreichifchen Volke inne
wohnende Thatkraft zeigte fich aber glänzend, als fchon Anfangs Odlober das
erfte auf öfterreichifchem Boden entftandene Nachbild in einer Photographie aus-
geftellt werden konnte. — Schon Ende Jänner 1874 war die Wirkung diefes,
Objetfles fehr anfehnlich. Zunächft traten die beabfichtigten Folgen inOefterreich
hervor, wo an zahli eichen Orten bereits die Anftalten zur Nachbildung des Aus-
ftellungsobjedles getroffen wurden. Landes-, Bezirks , Ortsfchul-Behörden, grofse
und kleine Gemeinden, Lehrer, Schulfreunde aller Art (darunter auch katholifche
und proteftantifche Priefter), Guts- und Fabriksbefitzer entfalteten eine rühmliche
Thätigkeit, um die mannigfaltigen Anregungen, welche das Objedl geboten, für
das Leben zu verwerthen. Aber auch im Auslande laffen fich, zum Theil weithin,
die Spuren des gegebenen Anftoffes diredt nachweifen.
Die öfterreichifche Mufterfchule wird nicht gleich den anderen Schulhäufern
der Weltausftellung abgetragen, fondern geht in den Schutz der Staatsregierung
über, welcher diefelbe von den Erbauern gefchenkt wurde. In der Gefchichte der
Entwicklung des öfterreichifchen Volksfchulwefens bleibt diefem Objedle eine
dankbare Stelle gefichert. Wurden für Oefterreich durch diefes Objedt die beiden
Fragen anfchaulich beantwortet: „Wie baut man, wie richtet man ein gutes Schul
haus ein?“ und: „Woher nimmt man das Geld, um die Schule beffer zu dotiren
und den Lehrer beffer zu zahlen?“ fo hat diefes Objedt alle mafsgebenden Kreife
auch auf jene zwei Fragen hingewiefen, deren endgiltiger Löfung wir erft entgegen
gehen: „Was foil man eigentlich in derVolksfchule lehren?“ und: „Wie werden
gute, den b e r e c h t i g t e n A n f o r d e r u n g e n der Gegenwart gewach-
fene Lehrer erzogen?“ Die öfterreichifche Mufterfchule dürfte auch nach
diefer Richtung Oefterreich ein Ziel gefleckt haben, deffen Erreichung ein volles
Menfchenalter in Anfpruch nehmen, deffen materielle und geiftig-fittliche Folgen
aber den Wahrfpruch des Comites der Schulfreunde rechtfertigen werden : „Oefter
reich war noch nicht, es wird erft fein!“
*) Die Jury, welche Zeit fand, bei den Schweden auch Kleinigkeiten anzufehen und zu
prämiiren, hatte hier trotz wiederholten Anfuchens ,,keine Zeit“, alle ,,Kleinigkeiten“ anzufehen.
**) ln dem Gedenkbuche der öfterreichifchen Mufterfchule ift von der Hand eines Nord
amerikaners zu lefen: „Go ahead, we will follow! (Geh voran, wir wollen folgen!)“