Jofef Lang!.
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fche Bewegung aus. Auch bei Moreau-Vauthier’s „Amor“ waren diefe Vor
züge anzuerkennen; nur Hörten bei der Figur auffallende Proportionsfehler an
den oberen Extremitäten.
A. Mer cie’s „David“ mangelte in der ganzen Compofition der franzö
fifche „esprit“ ; wie der Hirtenknabe das Schwert in die Scheide fleckt, ift nicht
die Pointe des Ereigniffes für ein plaflifches Werk, fo wenig die Idee des Wiener
Schwarzenberg-Denkmals für die Plaflik taugt.
Ins iein Malerifche verfiel nur E Hebert mit feiner Schaudergruppe
„Les Fiances^. Ein bis zum Skelet Verwefler lleigt aus dem Grabe und umarmt
„fie-‘, die Todte und nun mit ihm Vereinte! Auf dem Deckel der Gruft fleht als
Devife „et toujours et jamais“.
Bronce ifl das Material der Vervielfältigung ; die meiden Werke werden
auch fpeciell für diefen Zweck von den Künfüern gefertigt und wird wohl in der
\\ ahl der Sujets fchon von vorneweg mehr oder weniger auf das Gros des Publi-
cums Rückficht genommen, daher uns meifl heitere, anmuthige, naive Vorwürfe
begegnen, die decorativverwendbar find; ein gröfseres Gebiet umfaffen dagegen
die Marmorfculpturen. Die Sujets werden aus allen Kreifen herangezogen; wir
finden die griechifchen Mythen mit derfelben Vorliebe plaflifch illuilrirt wie die
Werke moderner Poeten; Pikantes aus dem täglichen Leben ebenfo geiflreich
verkörpert wie Symbolifches in Idealgeflalten. Ganz a part liegt wohl die Bibel
der franzöfifchen Plaflik; die Genefis allein mit ihren Geflalten intereffirt noch
die Bildner; das Weib und der Sündenfall — diefes merkwürdige Räthfel, welches
Mofes der denkenden Nachwelt niedergefchrieben, in dem doch Alles verborgen
liegt, was unfere Beflimmung im Unklaren hält — es zieht fich ja wie ein rother
i'aden durch unfer ganzes Dafein und dürfte wohl die franzöfifche Literatur bisher
in der ungefchminkteften Form deffen Löfung verfucht haben ; die bildende Kunfl
ergeht fich aber dabei weniger in den Tiefen der pfychologifchen Geheimniffe
fondern verwerthet blos die Erfcheinung. das Aeufserliche, und überläfst jede
weitere philofophifche Analyle dem Denken des von der Erfcheinung angezogenen
Befchauers.
Es ifl ganz charakteriflifch wie ein Franzofe „Eva nach dem Sündenfalle“
in dei Plaflik auffafstl Die Statue, welche E. Delapianche ausgeflellt hatte, zeigte
uns keineswegs das fchwache, in Schmerz zerfliefsende Weib, keineswegs die
iveue über die begangene Sünde, welche für die Zukunft des Menfchengefchlechtes
io verhängnisvoll werden follte; das war eine Brunhild nach der Brautnacht,
die zornentflammt das Schickfal verdammt, das ihrer Beflimmung einen Querflrich
gefpielt hat. Diefe furienhafte Auflaffung hatte allerdings keinen tieferen pfycholo
gifchen oder philofophifchen Hintergrund; fie gefiel dem fCünfller um des Effe6les
willen, welchen er in dem fall übermäfsigen Formenaufwande auch reichlichfl
erzielte.
Diefelbe Rolle hatte wohl auch F. Leroux’s „Somnolence“ zu fpielen.
Vas foll ein fchönes Weib in malerifcher Attitüde auf einem Lehnfeffel fitzend
mehr als reizend erfcheinen Der durch die Form erzielte Effedl hat zu befriedigen ;
dafs jufl die Figur Somnolence heifst, ifl Nebenfache. Wird doch gar oft in
wichtigeren källen das Sujet Nebenfache um der Erfcheinung willen. So hatte
A. Schoenewerk gewifs nur darum ein Motiv aus der Dichtung Cheffiers zur
Darflellung gewählt, um unter dem Titel „la jeune Tarentine“ eine reizvolle
Mädchengeflalt in einer — gewifs an die Grenze des Effektvollen flreifenden —
Stellung an den „bords de Camarine“ zur Darflellung zu bringen. Die Figur war
in anatomifcher Beziehung von wunderbarer Wahrheit, in der Durchführung von
höchfler Vollendung; aber Niemand kümmerte fich bei dem Anblicke wohl um
Cheffier’s Dichtung. Um der Figur einen Namen zu geben, nannte auch V. Fen-
gkre-des-Forts feinen meiflerhaft gemeifselten liegenden Atfl „Abel mort“ ;
milder und gewifs ebenfo annehmbar hätte die Figur auch als „fchlafender Hirten
knabe“ bezeichnet werden können.