Die Malerei.
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Charakteriftik löbliche Bilder, aber von einem gewiffen philiftröfen Zug, dabei
tonlos und trocken im Colorit, fo dafs fie gleich einem Kirchenliede wie ein
officiöfer Ausdruck proteftantifcher Empfindung wirken.
Das hiftorifche Genrebild der bedeutfameren Richtung holt feine Anregun
gen meiftens aus der neueren Gefchichte. Hier find zunächfl des Müncheners
Wilhelm L i n d enfc hm i d t Bilder zu nennen, die einen hervortretenden
Schmuck der deutfchen Ausftellung bildeten: „Der Tod des Prinzen Wilhelm von
Oranien“ , „John Knox unter den Bilderftürmern“ und „Das Abenteuer Ulrichs
von Hutten mit den drei Franzofen in Padua“. Der Meifter zeigt fich in diefen
Bildern durchaus als geiftreicher hiflorifcher Epifodenmaler , der das Erregte
eines fpannenden Momentes in richtiger malerifcher Wirkung zu erfaffen und
wiederzugeben weifs. Augufl Fifcher’s „Erftürmung von Rom durch die deut
fchen Landsknechte 1527“ gehört bei aller Tüchtigkeit der Ausführung doch zu-
nächft unter die hiflorifchen Coftumeftudien, wo die coloriflifch wirkfamen Röcke
die Leute machen. Mitten ins gefchichtliche Leben der neueren Zeit greift mit
kühner Hand Max Adamo in München in feinem bekannten Bild „Der Sturz
Robespierre’s*. Die fieberhafte Erregung der revolutionären Krifis ift beinahe
mit jenem malerifchen Blick für das Leidenfchaftliche wiedergegeben, wie er
fonft nur den Franzofen eigen zu fein pflegt. Von den oberften Sitzreihen des
„Berges“ bis hinab zu der entfcheidenden Adtion des Vordergrundes ifl Alles
lauter Bewegung und Affe dt; wir fchauen da förmlich hinab in den dampfenden
Krater der Revolution. Der Gegenftand hätte wohl eine Ausführung in gröfserem
Mafsftabe vertragen, aber es ilt freilich die Frage, ob dafür auch die Kraft des
Meifters für die beftimmte Charakteriftik der einzelnen Figuren und die grofs-
artigere Zufammenftimmung des Ganzen ausgereicht hätte. So, wie wir es da
fehen, wirkt das Bild beiläufig in der Weife, als ob es urfprünglich als Farben-
fkizze für eine gröfsere Compofition gemeint, dann aber aus jener Skizze heraus
beendigt worden wäre. Damit wären wir auch mit der hiflorifchen Gattung fo
ziemlich zu Rande. „Die gefangenen Cavaliere vor Cromwell“, ein älteres,
gewiffenhaft ausgeführtes Bild von Conflantin Cretius in Berlin, dann „die
Flucht des Winterkönigs aus Prag“ von Otto v. Fab er in München gehören in
die früher ftark gepflegte Claffe der hiflorifchen Calamitätenmalerei, während
uns in dem vielbekannten Gemälde Carl Becker’s: „Befuch Carls V. bei
Fugger“, das der königlichen Nationalgalerie entnommen war, ein hiftorifches
Novellenbild der heiteren und anziehenden Art entgegentrat. Sowie Becker mit
Vorliebe feine Stoffe aus dem Kreife der eleganten Welt nimmt, fo verfinnlichte
er uns auch hier ganz das vornehme Behagen des feinen Haushaltes eines Geld-
fürflen aus dem XVI. Jahrhundert und läfst unferen Blick wohlgefällig auf der
zierlichen Geflalt der Tochter des Haufes ruhen, die uns da wohl mehr
noch intereffirt, als Kaifer und Reich und die fo bequeme Tilgung feiner
Schulden.
Die ideale Gattung der Allegorie, der Mythologie, des Märchens
ilt eben nur der Convenienz und dem Namen nach ideal; auf ihrem eigenen Felde
rückt ihr fogar der Realismus an den Leib. Boecklin erzielt in dem „Cen
taurenkampf“ mit feinem coloriftifchen Experimente eine dem Gegenftande
angemeflenere Wirkung , als in feiner „Pieta“. „Die über ein Schlachtfeld
reitenden Walküren“ von Augufl v. Heyden in Berlin haben gleichfalls einen
kühnen, poetifch-phantaflifchen Zug. „Ceres, die ihre Tochter fucht“ von Lud
wig Thierfch in München zeigt etwas von dem Stilgefühle, das zu diefer
Gattung gehört, während Robert Beyfchlag’s „Pfyche“ mit ihrem gar zier
lichen, feinen Soubrettengefichtchen, das wir auch fonft in den Genrefiguren
diefes Malers wiederfinden, doch eine andere, als eine mythologifch - ideale
Stimmung anregt. Echter antiker Adel liegt in der „Iphigenia“ von Feuer
bach; es weht um diefe Geflalt ein Anhauch von dem Zauber der Goethe’fchen
Dichtung. In Henneberg’s „Jagd nach dem Glücke“ tritt die Allegorie