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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Jofef Bayer. 
nur die lebendige und bezeichnende Charakteriftik mit der Abficht gleichen 
Schritt hält. Ich fehe nicht ein, warum das Genrebild harmlofer ausfehen foll 
als die Wirklichkeit. Solange die Bauern Defregger’s nicht klüger und geweck 
ter werden, werden ihnen die Landpfaffen, wie fie M. Schmidt malt, ftets an den 
Leib rücken. A. Gabi fchildert mit grofsem Talente eine für die ländliche Bevöl 
kerung alarmirende Scene, die fich da oft wiederholt: den Moment der Affentirung. 
Es ift etwas Dörfifch-Theatralifches in dem fonft wackeren Bilde, das feine unleug 
baren Vorzüge hat. J. Hiddemann in Düffeldorf hat in feinem meiflerhaften 
Bilde: „Preufsifche Werber zur Zeit Friedlich des Grofsen“ denfelben Gegen- 
fland mit geiftreicher Objektivität und fetterer Charakteriftik behandelt, was 
alerdings hier leichter anging, wo der Vorgang in eine gewiffe hiftorifche 
Diftanz geftellt ift. Ed. Kurzbauer, von dem auch das Belvedere ein Bild 
herlieh, gab in feinem ländlichen Feite in Württemberg eine humoriftifch belebte 
Schilderung, zu der das Land mehr nur die Scenerie bietet. 
Die Düffeldorfer Volksmaler begnügen fich wenigitens in den Bildern, 
die fie diefsmal ausftellten, nicht durchaus mit der Schilderung einfacher Zuftände, 
fondern geben uns irgend eine Gefchichte, einen fpannenden, felbft aufregenden 
Moment. So führt uns C. Lafch eine Verhaftung vor, und ebenfo Jul. Geertz 
die Abführung eines Gefangenen vor das Schwurgericht. In folchen Bildern zeigt 
fich das Beftreben, die genreartige Schilderung zum dramatifchen Ausdrucke zu 
fteigern; es ift aber die Frage, ob diefe Gattung durch die fcharfe Beize des 
criminaliftifchen Intereffes fonderlich gewinnt. Uebrigens bewegt fich der erft 
genannte Meifter doch wohl mit günftigerem Erfolge in der gemüthlichen Sphäre 
(wie feine Bilder „Des alten Lehrers Geburtstag“ und „Mutterglück“ darthun), 
und Geertz fcheint fich auch bei der humoriftifchen Darftellung feiner muthwilli- 
gen Jungen, die nur Verhaftung fpielen, behaglicher zu fühlen. Hub. Salentin, 
der langbewährte Düffeldorfer Meifter im Genrefach, führt uns mit Vorliebe in 
die Kinderwelt des Dorfes, die er mit heiterer Charakteriftik und köftlicher 
Beobachtungsgabe zu fchildern weifs. Das Erfcheinen des kleinen Erbprinzen im 
Dorfe und die fpafshafte Senfation, die der feine Fürftenknabe unter den länd 
lichen Rangen und Altersgenoffen hervorruft, hat in dem vielbefprochenen Bilde 
auch feine Wirkung auf das Publicum nicht verfehlt. Ein ganz reizendes Kinder 
bild ift jenes, das der Katalog unter dem Titel „Hob über“ anführt, und unter den 
Andächtigen feiner „Waldcapelle“ find wieder die kleinen Beter am heften gerathen. 
Im Allgemeinen konnten wir mit Vergnügen wahrnehmen, dafs die füfsliche und 
fentimentale Auftaffung der Kindernatur in der deutfchen Genremalerei merklich 
abnimmt und der heiteren und humoriftifchen Behandlung der Kindertypen den 
Platz räumt. Und auch hierin ift die gelunde Kunft diefen kleinen Gefchöpfen 
gegenüber in ihrem vollen Rechte. Auch der wilde Range macht einen erfreuli 
cheren Eindruck, als jene Tragantpüppchen von frommen und fanften Kindern, 
die wir früher fo häufig zu fehen bekamen. 
Mit den Volksmalern ift nicht fo leicht abzufchliefsen. Da käme von den 
Münchenern noch Carl Kronberger hinzu mit feiner ergötzlich charakteri- 
firten „Tagfatzung aus derZeit der Patrimonialgerichte“, Hugo Kaufmanns 
„Auktion“, Rud. E p p’s „Gaukler in der Dorffchenke“, Eberle’s Bild „Nach der 
Taufe“, Ed. Young’s „Hochzeitszug im Gebirge“ u. a. m. E. Harburger, 
ebenfalls zur Münchener Gruppe gehörig, beutet wieder einmal mit viel Humor 
und Behagen den Contraft zwifchen derber, ländlicher Urfprünglichkeit und 
ftädtifcher Ziererei aus, indem er in einer Dorfkneipe zechende baierifche Bauern 
und einen Engländer mit feiner Lady, die durch irgend einen Zufall dahin ver- 
fchtagen worden find, an einen Tifch zufammenfetzt. Ein anderes Bild von Ant. 
Sei tz, dem bewährten Münchener Künftler, das einen vornehmen Grundherrn 
nach der Jagd in eine ähnliche Dorfkneipe einkehren und mit dem dicken fchlauen 
Wirth irgend eine luftige Zwiefprach halten läfst, ift von echtem Genrehumor 
belebt und mit feinem malerifchen Talent ausgeführt. Von den älteren Düffel-
	        
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