Die Malerei.
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Dörfern hat fich J o r d a n mit feinem „Seemannshaus“, das der Nationalgallerie
in Berlin angehört, und K. Hübner mit drei Stücken eingeftellt, von denen ins-
befondere „Die Sünderin vor der Kirchenthür“, ebenfalls ein Berliner Gallerie-
bild, dem von diefem Meifter einft mit Vorliebe gepflegten fentimental-patheti-
fchen Genre angehört. An refoluter Kraft der Charakteriftik, fowie auch an
malerifcher Verve erfcheinen jene älteren Meifter doch von der neueren Wen
dung der deutfehen Genrekunft flchtlich überholt.
S i mml e r’s vortreffliches Bild „Der erfchoffene Wilderer“ wäre in der
DüffeldorferGruppe zunächft noch zu nennen; die todesdüftereGebirgslandfchaft
und im Vordergründe die in einem Bergfpalte liegende Leiche find zu einer
ergreifenden Wirkung zufammengeftimmt. Ganz vorzüglich verfteht fich, wie
wir fchon feit längerer Zeit wißen, Wilh. Riefftahl in Carlsruhe auf jene
Mittelgattung zwifchen Landfchaft und Genre, wo die Naturfcenerie und das
jenige, was die Menfchenbruft bewegt, fich zu einem tiefanklingenden Accord
zufammenfaffen. Seine ausgeftellten Bilder „Allerfeelentag im Bregenzer Walde"
„Die Feldandacht der Paffeyer Hirten“ und „Die Trauerverfammlung vor einer
Bergkirche am Sentis“ waren eminente Belege hiefür. Er kennt die localen Volks
typen eben fo genau wie die Alpennatur, innerhalb deren fich diefes Stück Men-
fchendafein von der Wiege bis zum Grabe abfpielt; er ift eben fo fcharfer Cha
rakteriftiker als finnvoller Stimmungsmaler.
Doch wir find mit Riefftahl rafch zu dem ernften Thema „der letzten
Dinge“ gelangt. Mit einem fröhlicheren, freilich auch oberflächlicheren Blicke
fchaut Paul M e y er he im in das Volksleben hinein, dasfelbe mehr nur für den
durchfchnittlichen Genregebrauch durchmufternd. Zum Theil handelt es fich ihm
dabei nur um ein glückliches humoriftifches Motiv, wie in feiner fo populären
Menagerie im Dorfe, oder um eine naturaliftifch getreue Wiedergabe, wie in
feiner bekannten Schaffchur. In dem „Abend im Wald“ — Holzfäller bereiten
fich zur Heimfahrt, indefs das verdämmernde Abendroth über den Föhrenwipfeln
mit ermattender Rothe fchimmert — begibt fich aber der nüchterne Naturalift
wieder auf das Gebiet der Stimmungsmalerei. Noch einmal wenden wir uns nach
München zurück, um ein in coloriftifcher Beziehung vorzügliches Bild von Hirt,
„DieHopfenpflückerinen“, zu erwähnen, ebenfo die mit niederländifchem Behagen
gemalte „Grofsmutter“ von A. Spring, die für ihre Enkelin Aepfel fchält. Neben
den inhaltsreicheren und tiefergreifenden Schilderungen des Volkslebens, die
uns im pfychologifchen und charakteriftifchen Sinne befchäftigen, haben folche
einfache, fchlichte Situationsbilder auch ihren unbeftrittenen malerifchen Werth.
Die deutfehen Genremaler haben im Ganzen fowohl nach der ernften, als der
humoriftifchen Seite hin einen faft zu weit gehenden Erzählungseifer; jedes Bild
foll uns eine Gefchichte, und zwar möglichft deutlich vorführen. Es thut nichts,
ja es ift fogar gut, wenn fich daneben auch folche Bilder wieder einfinden, welche
einfach anfprechen, ohne ausdrücklich viel fagen zu wollen.
Wo fich die Eindrücke in Maffe herandrängen, bleibt zuletzt nichts
Anderes übrig, als fummarifch zufammenzufaffen, fo gern man auch bei dem Ein
zelnen, was uns bedeutender angeregt hat, verweilen möchte. Das deutfehe
Genrebild geht gar fehl- ins Breite und umfafst die verfchiedenften Lebensbezie
hungen der Gegenwart und Vergangenheit, immer im Reflex des deutfehen Gemü-
thes oder Humors. Gegenüber dem reich vertretenen Dorfgenre ift allerdings die
Zahl jener Bilder klein, die das Gefellfchaftsleben der höheren Claffen dar-
ftellen; nur wenige darunter nehmen das Motiv aus dem Salon der Gegenwart, wie
Albert Keller in München, der in einem Bilde, „Chopin“, die moderne Clavier.
Sentimentalität fehr pikant und in falonfähig elegantem Colorit fchildert. Meiftens
wird da in eine frühere Zeit zurückgegriffen, amliebften in die bürgerliche Gefell-
fchaftswelt des achtzehnten Jahrhundertes, in die claffifche Zeit des Puders, der
Spitzen und der Empfindfamkeit, wie diefs z. B. der treffliche A. v. Ramberg
in feinem feinen Bilde „Die Stickerin“ that. — Unter den Darftellungen, die
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