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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

Die Malerei. 
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wie zufammengehöre und aus einer gemeinfamen nationalen Kunftanfchauung 
feine Herkunft leite. , , , .. , 
Gewifs war den deutfchen Bildern nicht minder deutlich ihr nationaler 
Urfprung auf die Stirne gefchrieben , und doch fprachen fie in einem ganz ande 
ren Sinne zu uns. Das Rein-Individuelle entfchied da den erften Eindruck ; man 
mufste von Bild zu Bild gehen, die einzelnen Maler in ihrer Eigentümlichkeit 
fchätzen und würdigen lernen und eilt nach diefen vielen, allmalig angeknupften 
und gepflegten Kunftbekanntfchaften kam man mehr auf dem Wege der Abftrac- 
tion des Unheils zu der allgemeinen Vorftellung deffen, was beiläufig die 
deutfche Kunft in ihrem gegenwärtigen Zuftande fei. Die Gefammtwirkung hatte 
etwas Zerftreutes, oft ganz Ungleichartiges, weil die Wirkung des Einzelnen zu 
Namentlich im Genrefache beeinträchtigt die deutfche Gründlichkeit in dei 
Charakteriftik und Seelenmalerei oft die ruhig zufammenftimmende malenfche 
Gefammthaltung; aus jedem Bilde war da eine andere Gefchichte abzulefen, und 
zwar allmalig und bedachtfam, wie aus einem gut gefchnebenen Buche. Wo o 
viele Maler fleh aufs Erzählen und Schildern legen, mufs man ihnen einzeln 
folgen, jedem Geflehte feine feelifche Bedeutung abfragen, und für die grofse 
Ueberfchau ift da wenig gewonnen. Der individualifirende Trieb, der durch 
untere Literatur geht, fpricht fleh ebenfo auch in unferer Kunft aus Be. den 
Franzofen war diefs kein abgezogener Begriff, fondern eine unmittelbare flnn- 
liche Wirkung, die uns da fagte: Das ift die franzöfifche Kunft, wie fie fleh eben 
ietzt präfentirt. . . . , , r , • \ t. 
Das Erfte und Unmittelbare, was man wirklich fah, und lieh nicht 
blos aus verfchiedenen Merkmalen combinirte, das war eben der allgemeine 
Kunftcharakter - erft in zweiter Reihe löfte fleh diefes Allgemeine in die indivi 
duellen Unterfchiede auf. Man konnte fleh von diefer Art der Wirkung fofoit 
überzeugen, wenn man rafchen Ganges die vier franzofifchen Hauptfale durch- 
fchritt. Ob man da den Perfeus von P. Blanc der Medufa den Kopf abfchlagen 
fah ob man einen Blick über den Sclavenmarkt Giraud’s hmgleiten liels, oder 
den Schäferhund Troyon’s fixirte, der von erhöhtem Standpunkte aus die 
Schafheerde vor fleh Revue paffiren läfst — ob man Regnault s General Prim, 
ftolz zu Pferde fitzend, fleh nach dem Pöbelchorus von Madrid umblicken fah, 
oder Breton’s Proceffion durch das fonnige Kornfeld folgte ob man fleh von 
Tules Lef^bvre’s „nackter Wahrheit“ mit ihrer hocherhobenen Leuchte den 
ganzen Saal mit einem Male beleuchten liefs, oder den aus der Synagoge vertrie 
benen Chriftus von Laurens mit echt franzöflfeh- theatralifchem Pathos die 
Treppen hinabfteigen und Barrias’ Sokrates in ähnlicher Geberde fleh zum 
Tode rüften fah: es ging durch alle diefe Geftalten, fo verfchiedener Herkunft 
fie fein mochten, ein verwandter nationaler Familienzug; fie fprachen im male- 
rifchen Sinne dasfelbe ftark und nachdrücklich accentuirte Franzöflfeh. Aber 
noch mehr: fie redeten auch deutlich die Sprache der grofsen Kunftfchulen, die 
in Frankreich feit der Blüthezeit des Einfluffes von Ingres, Delacroix und Delaroche 
trotz der vielfach berufenen Verwilderung der neueften franzofifchen Kunlt- 
zuftände noch immer ihre ftarke und unverkennbare Nachwirkung aufsern. 
Das entfehiedene Hervortreten des nationalen Zuges, und zwar nicht blos 
dem geiftigen Inhalt nach, fondern in der fmnlichen Erfcheinung, in der augen 
fälligen Lebensäufserung —diessift ein ganz unfehätzbarer Vorzug für die bildende 
Kunft Es kommt in der Malerei nicht blos darauf an, wie viel Gemuthsfond und 
innerliches Leben hinter den Bildern fteckt, fondern vielmehr darauf was von 
dem volkstümlichen Naturell und Geilte völlig in die Darftellung aufgeht Trifft 
diefe Bedingung zu, dann ergibt fleh daraus eine Leichtigkeit und Sicheiheit im 
Ausdruck und Vortrag, welche ganz fälfchlich als Oberflächlichkeit aufzufaffen 
wäre blos weil Alles, was man da ausdrücken will, wirklich an die Oberfläche 
kommt Die moderne franzöfifche Malerei hat, ganz abgefehen von den fittliclien
	        
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