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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

Die Malerei. 
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Man hat oft den Franzofen vorgeworfen, dafs fie zu direkt auf den Effekt 
losgehen, aber zuletzt zeigt fich doch nur in dem Wirkenden, nicht blos in dem 
Erfonnenen die Kraft der Kunft. Wenn die modernfte franzöfifche Malerei oft 
eine unlautere Buhlfchaft mit dem Effecte treibt, fo haben die Führer der ent- 
fcheidenden Richtungen aus letzter Zeit das wirklich Bedeutende, das fie anftreb- 
ten, eben auch mit finnlicher Kraft der Wirkung auszufprechen gewufst, und in 
diefer Art darf man den Effekt wohl gelten laffen. Nur folche ftark' prononcirte 
Ausdrucksweifen können auch für längere Zeit ihrenEinflufsbewahren, und geben 
dann, indem fie fich fchulmüfsig vererben, auch wenn fich der geiftige Gehalt 
vermindert, der Kunft jene äufserlich imponirende Gefammterfcheinung, wie fie 
uns in den franzöfifchen Sälen entgegentrat. Sie ift wefentlich ein Ergebnifs 
gewiffer, in compakten Maffen auftretenden Hauptfchulen, zu denen die einzelnen 
Maler ihre Zugehörigkeit auch ausdrücklich bekennen. 
Jean Ingres’ reinerer Einflufs ift noch nicht ganz verwifcht; zum Panier 
des energifchen und vielfeitigen bei aller Kraft des Ausdruckes doch künft 
lerifch gemäfsigten Delaroche bekennt fich noch eine ftattliche Reihe von 
Künftlern; etwas Wenigere folgen der Fährte des geiftvoll wagenden Dela 
croix. Picot’s Schule wirkt noch aus den Tagen der Juliregierung nach; 
Couture’s Einwirkung, deffen Atelier im Anfänge derfünfziger Jahre mit Schülern 
fich füllte, ift zurückgetreten, aber nicht gerade erlofchen; Horace Verne t’s 
Schule fondert fich deutlich genug aus ; Charles Gleyre, der den formalen Idealis 
mus in der Kunft wohl auf bequemere und fafslichere Weife als Ingres felbft zu 
vermitteln wufste, bewahrt als fchulbildender Meifter auf lange hinaus feine Be 
deutung. Ganz befonders zahlreich ift aber der Schülerkreis von Lion Cogniet 
in der neuerten franzöfifchen Malerei vertreten ; wie häufig lafen wir nicht in dem 
Katalog den Zufatz: „elkve de L. Cogniet“ 1 Er hat, feitdem er fich felbft von der 
Produktion zurückgezogen, als Lehrer nachhaltig auf das jüngere Gefchlecht Ein 
Hufs geübt; er insbefondere verftand es, feinen Stil- und Formfmn zu populari- 
firen, indem er zugleich durch coloriftifches Verftändnifs den Neigungen derZeit 
entgegenkam. Die fpecififch modernen Einflüffe gehen nun weiter in umfaffender 
Weife von Cabanel und Gerome, den tonangebenden Meiftern des zweiten 
Empire aus; in der Landfchaft machen Corot, Bertin, Daubigny, ebenfalls Schule. 
Die franzöfifche Ausftelltmg hat fich allerdings dadurch fein- in Vortheil 
zu fetzen verftanden, dafs fie ganz gegen das Programm bis auf mehrere Decennien 
zurückgriff und auch noch einige berühmte Todte citirte, um die prunkhafte 
Infcenirung diefer Expofition vervollftändigen zu helfen. Hätte man fich ftreng 
nur auf die Produktion der letzten Ausftellungsperiode befchränkt, dann hätte es 
auch nicht an einzelnen fehl- bedeutenden Leiftungen gefehlt, aber die Wirkung 
des Enfembles wäre weit befcheidener geblieben. So aber bekamen wir eigent 
lich eine ausgepackte Gallerie moderner Kunftwerke älteren und jüngeren Datums 
zu fehen, die entweder fchon früher wiederholt ausgeftellt waren oder bereits in 
öffentlichen und Privatfammlungen fich befinden. Das Palais Luxembourg allein 
ftellte ein fehr anfehnliches Contingent von Bildern. So konnte man in den fran 
zöfifchen Sälen einen ganzen Curfus neuerer Kunftgefchichte durch die Zeit des 
zweiten Kaiferreiches bis in jene des Juli-Königthums und der Reftauration hinauf 
durchmachen. 
Delacroix, von dem eine Reihe bedeutender Bilder umherhingen, 
geleitete uns bis in die romantifche Schule der franzöfifchen Malerei zurück. Die 
Ingres’fche Schule war ftark vertreten und der berühmte Meifter felbft trat uns 
in dem Zeichnungsentwurfe zu feiner „Apotheofe Homer’s“ entgegen. An die 
ältere Malerei des Kriegs- und Soldatenlebens aus der Kunftepoche des Juli 
königthums gemahnte uns II. B e 11 a n g e, noch ein Schüler des alten Gros, mit 
feiner wohlbekannten „Epifode von dem Rückzuge aus Rufsland“. Die von Paul 
Delaroche angeregte gefchichtliche Richtung konnte man wenigftens nachwirken 
fehen. Allmälig kam man dann durch verfchiedene Mittelftufen zu der modernen
	        
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