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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Jofef Bayer. 
läfst, während es in ihren gröfseren Formen bei aller effektvollen Darftellung 
zergeht. Da wird fie mehr grofsfprecherifch als grofs und gibt das Gemjith an die 
bewufste Fhantafterei, die beobachtete Wirklichkeit an eine für den Effekt 
zurechtgeftellte preis. Meiffonnier machte bekanntlich feine Studien zunächft in 
den Sälen des Louvre; er copirte nicht geradezu die alten Cabinetsmaler, aber 
er fah durch ihre Bilder hindurch in ihr Auge und fragte ihnen das Geheimnifs 
ab, wie fie die Menfchen und die Dinge anfahen und im Bilde Wiedergaben. So 
gelang es ihm bei lebendigem Leibe eine Kunfthändler- und Auklionstaxe für feine 
Leitlungen zu erreichen, wie fie fontt nur bei den Werken altberühmter Meifter 
vorkommt. So fcharf ausgeprägt ift feine Eigenthümlichkeit, dafs felbft feine 
kleinen coloriftifchen Gebrechen, der kühle graue Ton, der durch feine etwas 
grell aufgefetzten Localfarben geht, fein mehr fcharf hinfchreibender als faftig 
malender Pinfel, die mitunter mangelhafte Abtönung in den Mittel- und Hinter 
grund hinein nicht als Fehler, fondern nur als ein bezeichnendes individuelles 
Merkmal gelten, wie man folches auch an älteren Meittern nicht tadelt, fondern 
vielmehr als eine Befonderheit, als Erkennungszeichen hervorhebt und fchätzt. 
Und fo ift es auch bei Meiffonnier. Jene kleinen Mängel find zugleich Bedingung 
feiner fo durchaus beftimmten Ausdrucksweife. Die aufmerkfammen Befucher der 
Ausftellung hatten Gelegenheit genug, die Eigenthümlichkeit des Meifters an 
den Bildern Der Schildermaler“ „Eine Kugelpartie zu Antibes“, „Ausgang einer 
Kartenpartie “, „Der Weg von Salice nach Antibes“ zu ftudiren. Die Epifode aus 
irgend einer der Schlachten Napoleon’s I. dagegen zeigt uns ihn auf dem Felde 
der Kriegsmalerei, zu dem ihm 1859, wo er im Gefolge des Kaifers den italienifchen 
Feldzug mitmachte, ein officieller Anlafs geboten wurde. Ich kenne nicht fein 
militärifches Hauptbild: „Der Kaifer vor Solferino“, das im Salon von 1864 aus- 
geftellt war und fich nun im Luxembourg befindet. Die vereinzelte Probe, die wir 
diefsmal fahen, vermag uns in diefer Richtung Meiffonier’s nicht hinreichend zu 
orientiren. Es ift viel charakteriftifche Beftimmtheit in dem Bild; ob aber der geniale 
Kleinmeifter für den Esprit militaire nach franzöfifchen Begriffen völlig ausreiche, 
mögen die Franzofen felbft entfcheiden. Das Bild ift übrigens nicht fertig gemalt 
und die Farbe befonders in dem fcharfen Grün unvermittelt und grell. Mit 
Meiffonier in der zierlichen Kleinmalerei verwandt find die reizenden Bilder von 
Eugkne Feyen. Wenn fich Meiffonier in der Regel nur auf wenige Figuren 
befchränkt und nur feltener, wie in feinen „Joueurs des boules“ oder in dem 
Bilde „Der Sonntag“ fich unter viele Mefchen, in das bunte Treiben des Volkes 
begibt, fo ift Feyen fo recht in der Menfchenmenge zu Haufe. Dabei weifs er 
doch feine niedlichen Figürchen ohne Andrang und Verwirrung hinzuftellen und 
fie felbft in diefer Kleinheit bewunderungswürdig individuell zu fallen. Seine 
Wäfcherinen von Cancalais“, „Die Verfammlung auf dem Mont Dole“, dann 
zwei prächtige Strandfcenen (Nr. 241 bis 244) find bezeichnende Proben feiner 
eigentlichen Meifterfchaft, fo wie der glatten, feinen, allerdings auch etwas kühlen 
Manier feines Vortrages. 
. Das ländliche Genre, die Schilderung des Bauernlebens, hat in Frank 
reich auch fo wie in Deutfchland eine bedeutende Entwicklung genommen 
Allerdings unterfcheidet fich das franzöfifche Bauernbild'von dem deutfchen bei 
läufig fo, wie eine Dorfgefchichte der Georges Sand von einer von Auerbach 
oder Jeremias Gotthelf. Gewöhnlich gefteht man den franzöfifchen Bildern, die 
das Leben und Treiben des Landvolkes fchildern, die malerifche Wirkung zu, 
will aber in ihnen einen Abgang des feelifchen Lebens, eine mehr äufserliche 
Auftaffung der Bauernexiftenz nach der mehr typifchen, als individuellen Seite 
bemerken. Empfindung möchte ich in den bedeutenderen Leiftungen diefer Art 
keineswegs vermißen; es ift eben ein anderer Zug des Empfindens, als bei uns; 
und es ift auch wohl kein Fehler, dafs die Empfindung da ganz in dem male- 
rifchen Ausdrucke aufgeht. Hat das deutfehe Bauerngenre eine mehr ins Einzelne 
gehende gemüthvolle Charakteriftik, fo das franzöfifche wieder mehr Haltung
	        
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