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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

Die Malerei. 
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zum Elfafs. Es ift eine mehr dumpfe, befangene Exiftenz, ein eingefchränktes, 
abgefchiedenes Bauernleben gegenüber dem freieren Wefen, den offenen Stirnen 
und hellen Augen, die uns im Elfafs, in der Wirklichkeit fowohl, als im Bilde, 
entgentreten. Eugen Lerouxifl (fo wie F ortin) in der Häuslichkeit der dürfti 
gen bretonifchen Hütten heimifch und weifs uns das Stück Leben, das fich da in 
engftem Raume abfpielt, malerifch anfchaulich zu machen. Sein Bild „Vor der 
Beerdigung“ (Nr. 445) im Innern eines Haufes in der Bretagne zeigt uns die 
Ausflellung der Leiche eines breton’fchen Bauern. Es hat die richtige Stimmung 
des Momentes und jenen brütenden Zug der Trauer, der fich freilich nicht zu der 
ergreifenden Kraft der Bauernbegräbniffe von Knaus und Vautier erhebt. Einen 
gelegentlichen Blick in die Bretagne läfst uns auch Charles G i r a u d thun ; in 
den Bildern: „Die Rückkehr vom Markte“ (Nr. 289) und „Fifcherin von derKüfte 
der Bretagne“ (Nr. 290). Nicolas Berthon ift wieder der Maler des Landvolkes 
aus der Auvergne und beobachtet diefe kleine locale Welt mit fcharfem, realifti- 
fchemBlicke. Sein „Tanz aus der Auvergne“ (Nr.47), das frifchbelebteBild „Die 
Barbierin von Chatel Guyon“ (Nr. 50) und noch zwei andere Localbilder diefer 
Art (Nr. 48 und 49) zeugen ebenfo von feiner grofsen malerifchen Begabung, wie 
von feinen realiftifchen Neigungen. Alexander C o 11 e 11 e gehört mit feinen„Erd- 
arbeitern“ (Nr. 145), der „favoyifchen Bäuerin“ (Nr. 146) und einer andern von 
Cernay la Ville (Nr. 147) der vollftändigen Aufzählung wegen auch in diefe 
Gruppe 
Die Schlachtenmaler haben fich diefsmal von der franzöfifchen Au 
fteilung fern gehalten, und zwar aus begreiflichen Gründen, die in der Stimmung 
der Zeit liegen. Die Erinnerungen an den Krieg von 1870 tauchten hie und da, 
aber ziemlich kleinlaut auf. Nur die Kriegsepifode, das militärifche Genrebild 
fanden wir vertreten; von der Hauptfache, den Angriffsadtionen und den Schlach 
ten felbfl brachten die Bilder keine Kunde. Alexander P r o t ai s , ein genialer 
Vertreter des Soldatenbildes, Hellte fich wohl auch diefsmal ein. Er führt uns 
mit Vorliebe den Krieger als Individuum, nicht als Maile vor. Das tragifche 
Einzelgefchick auf dem Schlachtfelde intereffirt ihn; er weifs es ergreifendzu 
Schildern und in feinen meiftens tiefen Localfarben in der entfprechenden düftern 
1 onart zu ftimmen. Auf jenem Bilde (Nr. 54°)i welches kurzweg nach der ver- 
hängnifsvollen Jahreszahl „1870“ benannt ift, ift es auch wieder der einzelne 
Soldat, auf den er den Blick des Befchauers lenkt — aber feine Darftellung hat 
hier eine weitere tragifclje Perfpedtive. Auf dem todesöden, mit Leichen bedeck 
ten Felde fehen wir einen verwundeten Soldaten, der fich fpähend erhebt, ob er 
die Fahne in Sicherheit bringen könne, die er feinem gefallenen Cameraden ab 
genommen. Im Hintergründe zuckt ein Feuerfchein auf— über das Bild breitet 
lieh wie ein 1 rauerflor eine tiefe, fchmerzvolle Stimmung aus. Ganz objectiv 
gefafst ift der „Kanonenfchufs“ (Nr. 39) von Et. Berne-Be llecour, ein Bild, 
das mit Recht in der Ausftellung fehr populär wurde. Die Situation ift mit einem 
fo fcharfen Beobachtungstalent fixirt und wiedergegeben, die Typen der Officiere 
und der Mannfchaft, die fich über die Böfchung lehnen, um die Wirkung des 
Schuftes zu verfolgen, find von fo überzeugender Charakteriftik, dafs das meifter- 
liche Bild, wie alles Wahre in der Kunft, fofort feffelt und dauernd intereffirt. 
Ein vorzügliches Epifodenbild aus dem Kriegsleben ift auch „Die internationale 
Ambulance im Schneegeftöber“ von Ed. Caftres (Nr. 120); die Figuren aber 
mals fehr bezeichnend, das Ganze in die Naturftimmung der Winterlandfchaft 
trefflich mit hineingenommen. Der fonft friedliche Elfaffer Genremaler Guftave 
Jundt gerieth einmal durch den Krieg auch in den tendentiöfen Militarismus 
hinein. Er zeigt uns internirte Soldaten, wie fie unter demRufe „Vive laFrance !“ 
die Schweiz verlaffen (Nr. 378). Der Mobilifirte (Nr. 528) von Leon Perault 
gehört ebenfalls unter die gemalten Reminifcenzen von 1870. Das hiftorifche 
Kriegsgenre, das in vergangene Zeiten zurückreicht, war mehrfach und glücklich 
vertreten; fo in einer Scene aus dem dreifsigjährigen Kriege von Lucien Gros 
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