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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Jofef Bayer. 
(Nr. 305), wie in der ebenio farbig wirkfamen, als charakteriftilchen ..Revue 
deutfcher Landsknechte“ (Nr. 439) von Louis Leloir. Der ältere Philipp o- 
teaux geleitet uns durch r die Einnahme der grofsen Redoute in der Schlacht 
an der Moskowa“ (Nr. 532) wieder auf die napoleonifchen Schlachtfelder. 
Die literarifch angeregte II luft r a ti o nsm al er e i, die bei den Deut- 
fchen und den Engländern eine fo bedeutende Pflege findet, ifl bei den Franzofen 
in mäfsigerem Gebrauche. Auch da mufs man ihnen zugeftehen, dafs fie das poe- 
tifche Motiv ganz in die malerifche Wirkung umzufetzen wiffen und infoferne 
über die blofse Illuftration hinausgehen. Von Jules Bertrand war der „Tod der 
Virginie“ (nach Bernardin de .St. Pierre) und ein „Grethchen im Kerker“ (Nr. 52 
und 53) ausgeftellt. Dem erfteren Bilde begegnete ich fchon vor Jahren auf einer 
Kunftausftellung; es ift von einem ergreifend rührenden Zauber. Weit weniger 
vermag man diefem franzöfifchen Grethchen zuzuftimmen, fowohl was die unfchöne 
Stellung, als auch den Ausdruck betrifft. Alexander Cabanel malte den Tod der 
Francesca von Rimini und des Paolo Malatefta (Nr. 108) etwa im Stil der grofsen 
Oper, mit mehr äufserlichem Pathos, als tieferer Empfindung. Beide fpielen den Tod 
für die Wirkung auf den Zufchauer. Die Technik ift die wohlbekannte glänzende, 
aber auch berechnete CabanePs. 
Es ift kaum möglich bei dem überreichen Ausftellungsftoffe der franzöfifchen 
Abtheilung da eine vollftändige Umfchau zu halten. Das Porträt an fleh verdiente 
fchon eine eingehende Befprechung, fowie überhaupt eine vergleichende Betrach 
tung der Porträtkunft nach den einzelnen Ländern viele lehrreiche Gefichtspunkte 
darböte. Wie der einzelne, gegenwärtige Menfch im Bildnifte erfafst und wieder 
gegeben wird, diefs ift bezeichnend für die ganze Menfchendarftellung, für die 
gefammte Ausdrucksweife einer nationalen Kunft. Die bedeutenderen Franzofen 
individualifiren fcharf und fchlagend imPorträt, aber in einem ganz andern Sinne 
als die Deutfchen. Sie haben ein rafches, geiftreiches Auge für das Bezeichnende, 
das Habituelle einer Perfönlichkeit, aber fie geben ihr Wefen mehr mit Esprit, als 
mit tiefer eindringendem, ruhigem Blick wieder. Ihre Bildniffe bereiten uns einen 
fo überrafchenden und frappanten Eindruck, wie ihre übrigen Kunftleiftungen; 
wir machen eine mehr fchnelle, als eine eingehende Bekanntfchaft mit einer 
ganzen Gallerie von Perfönlichkeiten. Ihr Porträt ift auch meiftens das Bild des 
Menfchen in der Gefellfchaft und für diefelbe ; das intimere Bildnifs, das Porträt 
als Familienbild, die Darftellung des Menfchen im Haufe oder für das Haus fleht 
der franzöfifchen Bildnifskunft fchon ferner. In jener entfcheidenden Hauptrich 
tung nehmen die Bildniffe des Fräuleins Nelie Jacquemart (Nr. 356 bis 365) 
den oberften Rang ein. An Energie und Glanz der Farbe, an der Behandlung 
der Incarnation, wie des Stofflichen in der Gewandung, vor Allem aber an geift- 
reicher Individualifirung in echt franzöfifchem Sinne finden fie kaum ihresglei 
chen. Diefe geniale Porträtmalerin ift in ihrer Kunft fo ganz gefellfchaftliche 
Menfchenkennerin. Sie hat ein fehr helles Auge dafür, den Menfchen rafch da 
auszufinden, was er vor der Welt gelten und wie er vor ihr erfcheinen möchte, 
und im wohlbeobachteten Momente auch wirklich vor ihr erfcheint. Ohnehin 
malt fie meiftens Perfönlichkeiten, die etwas Wichtiges nach Aufsen hin vor 
ftellen und wo ein guter Theil des Menfchen in das Gefühl der äufseren Stellung 
und der Repräfentation aufgeht. — CabanePs Porträt der Frau Pinchot und 
ihrer Kinder (Nr. 110) ift ein fehr elegant und fein gemaltes Coftümebildnifs, vor 
nehm und hoffähig in Haltung und Farbe. Der Kopf Liszt’s ift wie prädeftinirt 
für die franzöfifche Porträtkunft und Layraud gibt auch feinen eigenthümlichen 
Ausdruck in geiftvoller Weife wieder. Grofsentheils Vorzügliches trat uns ferner 
in den Bildniffen von W. Bouguerreau, Carolus Dur an, Charles Bonne- 
grace, Claude G aillard u. A. m. entgegen, ohne dafs wir hier auf ihre eigent 
lichen Kunftvorzüge näher eingehen können. 
Die Charakteriftik der franzöfifchen Land fc haftsbilder müffen wir uns 
verfagen, wie wir auch in der deutfchen Abtheilung nur flüchtigeren Blickes an ihnen
	        
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