Die Malerei.
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glänzende Färbung dringe, um nach ihrem eigenften Wefen verfmnlicht zu
werden. Die Forderungen des Stoffes und ihre eigenen künftlerifchen Inftincle
kamen einander auf halbem Wege entgegen ; das Colorit trat gleichfam mit hifto-
rifcher Legitimation auf, und der reiche, nicht fo fchnell zu erfchöpfende Kreis
der einheimifchen Gefchichtsftoffe, denen nach Seite der Farbe immer etwas
abzugewinnen war. gab dem Realismus der belgifchen Kunft eine gewiffe
Gefchloffenheit und Vornehmheit und bewahrte ihn vor dem Zergehen in die
kleinen Gattungen, dem allzu grofsen Uebergewichte des Genres und der blofsen,
inhaltsleeren Pinfelvirtuofität. Dies fcheint mir die wichtigfle Ausbeute jener
Wendung im belgifchen Kunftleben zu fein, die mit Guftav Wappers begann,
in Ed. de Bi&fve und Nicaife de Keyfer fo erfolgreich fich fortfetzte, um
dann in Louis Gallait ihren Höhepunkt zu erreichen.
Allerdings kam man da in der ideellen Durcharbeitung des Stoffes über eine
gewiffe Stufe nicht hinaus. Das gefchichtliche Leben ift in dem Glanze der Tech
nik, in dem brillanten Colorit wie in einer farbigen Prachterfcheinung gleichfam
■eingefangen; innerhalb derfelben ift nur mäfsige Bewegung, faft nirgends fpricht
fich die volle Kraft der Handlung aus. Die porträtartige Charakteriftik ift vor-
herrfchend, nicht der eigentlich dramatifche Zug; fo felbft in Bikfve’s Hauptbild:
„Der Compromifs des niederländifchen Adels“. Auch Louis Gallait, der fich
innerhalb des Kreifes der belgifchen Kunft zu der höchften hiftorifchen Darftel-
lungskraft erhob, drückt in feiner berühmten „Abdankung Carl’s V.“, hierin dem
deutfchen Leffing verwandt, mehr die Stimmung des hiftorifchen Momentes und
der bedeutfamen Handlung, als diefe Handlung felbft nach ihrer vollen drama-
tifchen Geltung aus. Weiterhin befchränkt er fich ganz darauf, das hiftorifche
Stimmungsbild im höchften malerifchen Sinne durchzubilden; er umgeht den
entfcheidenden dramatifchen Moment und malt nur das „Vor“ oder „Nach“ zu
demfelben: „Egmond mit feinem Beichtvater im Kerker“, „die Brüffeler Schützen
gilde vor den Leichen Egmond’s und Hoorn’s. Die glänzendfte technifche
Detaillirung der Farbenwirkung und die pfychologifche der über das Bild fich
verbreitenden Stimmung klingen da in einen Accord zufammen ; der volle drama
tifche Ausdruck würde eine folche breite und feine Detaillirung nicht mehr
zulaffen, die Farbe miifste zum Ausdrucksmittel eines bewegteren, ins Grofse
gehenden hiftorifchen Styls werden, das ganze belgifche Behagen der colo-
riftifchen Einzelausführung wäre ans feiner Ruhe aufgeftört. Hier fallen, wie fo
häufig, die bezeichnendften Vorzüge und zugleich die Grenzen einer Kunftrichtung
in demfelben Punkte zufammen.
Es bleibt noch immer fchwer zu entfcheiden, wie weit jenos farbige Stück
niederländifcher Gefchichte infpirirend auf die Durchbildung des Colorits gewirkt,
oder inwiefern das gefteigerte coloriftifche Bedürfnifs, mehr nur einem äufser-
lichen malerifchen Zuge folgend, fich jener Gefchichtsftoffe als der technifch
möglichft dankbarften und zugleich im nationalen Sinne populärften Stoffe
bemächtigt hat. In dem letzten Stadium, in welchem fich gegenwärtig die bel
gifche Malerei befindet, hat jedenfalls diefe hiftorifche Kunftbegeifterung merk
lich nachgelaffen. Was die Ausftellung in jener Richtung aufwies, ift meiftens von
viel früherem Datum und rührt von den älteren bewährten Meiftern der Brüffeler
Schule her. Solche Bilder find Schauftücke aus einer Gallerie moderner Maler,
keine eigentlichen Ausftellungsobjecfte, die uns über den Kunftzuftand in feiner
letzten Phafe unterrichten. Im Allgemeinen zieht es die belgifche Malerei von der
hiftorifchen Höhe wieder nach abwärts ins Genrefach. Nur ift im letzteren jeden
falls viel von der vornehmen und glänzenden Behandlung, von dem höheren
malerifchen Gefchmacke geblieben, der fich an jenen Gefchichtsftoffen gefchult
hat. Unter den älteren Meiftern begegnen wir Nicaife de Keyfer, dem bereits
verftorbenen Henri L e y s, Eduard de Bikfve und Louis Gallait. Von dem
Elfteren hing im internationalen Saale fein „Karl V. in Tunis“; von Bi&fve war
die „Gräfin Sabine von Egmond“ ausgeftellt, die vom Himmel die Befreiung