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Dr. Jofef Bayer.
ihres Gatten erfleht. Henri Leys konnten wir in den Porträts „Philipp’s des
Guten“, der „Maria von Burgund“, fowie befonders in einem gröfseren Bilde.
„Lancelot van Urfel, Bürgermeifter von Antwerpen, die Bürgermiliz zur Verthei-
digung der Stadt haranguirend“, in feinen archaifirenden Grillen ftudiren, die ihn
dazu verführten, mit aller Meifterfchaft moderner Technik zu alterthümeln und
lieh in die Weife der älteren Niederländer, zunächft die des Memling fo hineinzu
klügeln,^ fo wie fleh unfere Nazarener in die Weife der kölnifchen oder altfiene-
fifchen Schule hineinempfindelten. Wenn wir ihn auf dem „Fette der Büchfen-
fchützen von Antwerpen“ innerhalb der Reminiscenzen der betten niederländifchen
Kunftblüthe als einen ganz veränderten Menfchen wieder antrafen und die ganze
Haltung und Compofition des Bildes, das prachtvolle warme Helldunkel feines
Colorits höchlich bewundern mufsten, fo konnten wir uns doch nicht verläugnen,
dafs diefer Meifter einer abftraeft künttlerifchen Richtung verfallen war, die gleich-
fam Manier auf Manier pfropft. Es itt diefs eine Malerei für Kunttgenotfen, nicht
füis Publicum, fowie einmal unfere Romantiker eine Literatur wieder für Lite
raten züchteten. Gallait geht aus dem Kreife des hiftorifchen Stimmungsbildes
in den beiden Gemälden „Der Friede“ und „Der Krieg“ ins Allgemeine, ja fall
Allegorifche, nicht eben zum Vortheile feiner Kunftweife; wo man Kraft des
Ausdruckes erwarten follte, tlöfst man nur auf eine in der Antithefe fleh ergehende
Abfichtlichkeit, die in der Darttellung des „Krieges“ fogar verletzend wirkt.
Wir wollen nun fehen, was fleh hieran in der hiftorifchen Kunft zunächft
anfchliefst. Gefühlsmomente, Situationen, welche an die Rührung appelliren, der
Frauen Klag’ und Leid im Drang der Ereigniffe treten da, wie fchon in dem Bilde
von Biöfve, in den Vordergrund; fo auch in dem verdienftvollen Gemälde von
Albrecht de Vriendt: „Jacobine von Baiern, die Philipp, den Guten, von Bur
gund um Gnade für ihren Gemal bittet; dann in einer j Compofition verwandter
Richtung von Emil Wauters: „Maria von Burgund, die Schöffen Gents um
Gnade für ihre Räthe Hugonet und Humbercourt anflehend“. Julian de Vri e nd t’s
»Heilige Elifabeth, die von den Bewohnern Eifenachs zurückgewiefen wird“ geht
fchon ins Legendarifche hinüber. Im Ganzen thut es der Gefchichtsmalerei nicht
gut, wenn das melodramatifche und fentimentale Element fleh in ihr zu fehr vor
drängt; der tragifche Schmerz foll in ihr eine hervorragende Stelle haben, nicht
aber die Emotion und Schauftellung des hochgeftellten Unglücks für das Mitleid.
Die Gefchichtsmalerei ift eine Kunftgattung männlichen Gefchlechtes; grofse
Gefchicke follen fleh da nicht blos in Frauenthränen feucht abfpiegeln. Auch
fonft ift es nicht gerathen, dafs die rührende Epifode, ob fte fchon Männer oder
Flauen betrifft, mit der vollen Wichtigkeit der hiftorifchen Gattung fleh zur
Geltung bringt. Emil Wauters fcheint vor Allem fleh in der Darftellung des.
Eifchütternden zu gefallen, das mit ftarker Wirkung auf'unfer Mitleid eindringt.
Neben feiner flehenden Maria von Burgund hat er feinen „wahnfinnigen Hugo
van der Goes“ ausgeftellt. Es ift ein durchaus vorzügliches Bild fowohl im
phyfiognomifchenAusdrucke der Hauptperfon, als der poetifch bedeutfamen Ver-
finnlichung des Zuftandes; die malerifche Kraft und Tiefe des Vortrages kommt
dem vortrefflich zu Statten, was der Künftler ausdrücken wollte. Doch hier find
wir eben ganz bei der rührenden Epifode angelangt, fo fehr die Auffaffung und
Darftellung fleh noch der hiftorifchen Richtung der belgifchen Kunft verwandt
zeigt. Von de Bikfve und Gallait führt ganz fachte der Weg bis zu Stoffen
diefer Art hinab.
Der individualifirende, porträtartige Zug der belgifch-hiftorifcben Kunft,
im befcheideneren Rahmen des hiftorifchen Sittenbildes verwendet, tritt uns in
Alexander Markelbach’s trefflichem Bilde „Antwerpner Rhetoren, die fleh auf
eine Disputation vorbereiteten“, fehr bezeichnend entgegen. Es ift ein richtiges
Stück niederländifcher Gelehrtenrepublik aus dem XVII. Jahrhunderte.
Es ift auffallend, dafs die Belgier nur bei einheimifchen Gefchichtsftoffen
charakteriftifch find; greifen fle in die Fremde, in das Mittelalter oder gar ins