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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

Die Malerei. 
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Alterthum zurück, fo finden wir fie auf den Wegen des coloriftifchen Eklekticis- 
mus, oft auch nur des blofsen effektvollen Arrangements. Das Bild des älteren 
Meifter Guftav v. Wap p e r’s : „Bocaccio der Johanna von Nepal fein Decama- 
rone vorlefend“ ift nur coloriftifch und zudem im Sinne einer älteren Technik zu 
beurtheilen; fonft ift es ein blofses Farbenfchauftitck und gehört, abgefehen von 
dem finnlichen Reize des tiefften Negliges der Damen, ganz in'die Reihe der 
Vorlefebilder, die in der belgifchen Kunft eine gewiffe Rolle fpielen. Jofef S t a- 
laert’s „Tod der Dido“ hat ebenfo etwas von franzofifchem Pathos, wie von 
franzölifcher Farbentechnik; ift übrigens gut componirt und von harmonifcher 
Wirkung. S 1 i n g e n e y e r’s Bild, das fchlechthin „Carthago“ benannt ift — eine 
auf den Trümmern der Stadt hingeftreckte Frau mit zwei todten Kindern, darü 
ber ein tragifch verglühendes Abendlicht — ift auch zunächft im Sinne derFarben- 
und Beleuchtungswirkung zu nehmen. 
Im Genre fach überwiegt bei den Belgiern ein gewiffer weltmännifch-ele- 
ganter Zug. In diefer Gattung zeigt fich Brüffel als ein Klein-Paris und treibt 
gelegentlich Modemalerei. Die gemüthliche Austiefung des Genres in deutfchem 
Sinne ift dem belgifchen Wefen nicht recht erreichbar, obgleich manche Maler 
nahe daran ftreifen; gewöhnlich aber begnügen fie fich mit einer mehr technifch 
wirkfamen, als geiftig inhaltsreichen Löfung ihrer Aufgabe. Eigentlich gehen da 
zwei Strömungen nebeneinander, die, wie dasWaffer zweier Flüffe in der Nähe der 
Einmündung, auf eine Strecke hin fich deutlich unterfcheiden laffen, dann aber 
wieder ineinander übergehen und verfchwimmen. Es ift diefs einmal der ganz 
moderne franzöfifche Gefchmack, der hier deutlicher als in der Hiftorienmalerei 
herüber wirkt und daneben wieder die einheimifchen Traditionen aus der Blüthe- 
zeit des flandrifch-holländifchen Genres, wo Teniers der Jüngere ebenfo Anre 
gungen gibt, wie die Atlafs- und Toilettenmaler von dazumal. Jene moderne 
Richtung fteht unter dem Einflüße der Gefellfchaft, diefe, mehr nur in artiftifchem 
Sinne nationale, unter dem der einheimifchen Gallerien. Oft geht Beides ineinander 
über; gerade hierfcheint mir die Technik wie die Auffaffung nicht fcharfe Grenzen 
einzuhalten und fich kaum ein anderes Programm zu ftellen, als das des Pikanten 
und Gefälligen, aus welchen Kunftmitteln es auch beftritten werden mag. Florentin 
W i 11 e m s gab dem Cabinetsftücke und der Feinmalerei, wie fie einft Terburg 
und Netfcher vertraten, eine moderne Auffrifchung und nachgerade auch einen 
modernen Inhalt; eine den älteren Bildern nachempfundene Manier ohne Manie- 
rirtheit verbindet fich bei ihm mit einem frifchen heiteren Blick ins gegenwärtige 
Leben. Dagegen repräfentirt Alfred Stevens fo ganz den Parifer Salonmode- 
Gefchmack des zweiten Kaiferreiches und malt unermüdlich feine Boudoirfcenen, 
feine Damen aus der guten, wie aus der halben Welt, überhaupt jene weiblichen 
Toilettenexiftenzen, bei deren niedlichen und pikanten Geflehtem uns am aller- 
wenigften beifällt, was in ihrem Innern vorgeht, und ob hinter dem feinen Corfet 
auch fo etwas wie ein Herz fchlägt. Ueber diefem PTauenvolke leuchtet die 
Parifer Sonne; eine lichtblaue und rofenrothe Modefärbung überwiegt durchaus; 
tiefere, kräftigende Schatten find in der hier dargeftellten Welt ebenfowenig, 
wie in der ihr ganz entfprechenden Technik. Einen intereffanten Gegenfatz zu 
Alfred Stevens bildet JeanBapt. Madou, ein wohlbekannterFührer der neueren 
vlämifchen Richtung im Genrefach. In den Bildern mit zwei oder drei Figuren, 
die von ihm ausgeftellt waren, führt er ebenfo Männer aufser der Mode vor, wie 
Stevens Frauen nach der Mode malt: ift diefer ein Darfteller der glatten Eleganz, 
fo ift jener ein Maler des Schneidigen, der geiftreichen Charge. Er ift von den 
älteren niederländifchen Genremalern angeregt; aber das fcharf Pointirte in 
feinen Bildern ift ebenfo wieder ein moderner Zug. Bei einer gewiffen Verwandt 
fchaft mit der älteren Technik und Beobachtungsweife ift ihm doch das altnieder- 
ländifche Behagen ziemlich fern. Er fleht feine Figuren durch den fcharfen 
Stecher an, den die Ironie an den Augenwinkel drückt. So direkt er auf das 
Charakteriftifche losgeht, fo fcheint er mir darin doch nicht mannigfaltig zu fein;
	        
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