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Volltext: Bildende Kunst der Gegenwart (Gruppe XXV), officieller Ausstellungs-Bericht

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Dr. Jofef Bayer. 
Die übrigen Kunftländer. 
Holland, die Schweiz, Rufsland, die fkandinavifchen Länder, 
Spanien, Nordamerika. 
Nachdem ich fo ziemlich die Hauptländer der gegenwärtig blühenden 
Kunflthätigkeit eingehender befprochen, mufs ich mich darauf befchränken, den 
Reft der Aufgabe nur in der allgemeinften Faffung zu erledigen. Da ich er ft 
ziemlich lang nach Schlufs der Ausftellung an die Abfaffung diefes Berichtes ging, 
fo wurde mir die Arbeit bei dem nicht mehr gegenwärtigen Stoffe fo mannigfacher 
Anfchauungen, die mühfam und ftückweife aus der Erinnerung neu zu beleben 
waren, immer fchwieriger und ermüdender. Der ftets fich erneuernde Verfuch. 
aus dem Notizenmateriale lieh den Eindruck halbwegs herzuftellen, diefes innere 
Schauen mit dem Gehirn ftatt mit dem Auge ift für die Dauer hinaus kein normales 
geiftiges Gefchäft. Man fieht fich zuletzt einfach genöthigt, ein Ende zu machen. 
Unter den Haupt-Kunftländern hätte allerdings noch H oll and eine ein 
gellendere Befprechung finden follen. Der eine Saal, in dem die Niederländer 
ausftellten, machte mit feiner immerhin ftattlichen Zahl von 167 Bildern einen 
fehr abgefchloflenen, beinahe gallerieartigen Eindruck. Der nationale Kunft- 
charakter fprieht fich in der holländifchen Malerei — denn nur von diefer Kunft 
kann da allein die Rede fein — geiftig wie technifch auf das Nachdrücklichfte aus. 
Ueber alle Gattungen wie fie dort eben gepflegt werden, ob Genrebild, Land- 
fchaft oder Thierftück, breitet fich die gleiche folide Ruhe, dasfelbe behäbige 
Phlegma, an der Natur wie Menfch theilzuhaben fcheinen; die Auffaffung durch 
aus urrealiftifch, aber nicht aus beftimmter Kunfttendenz, fondern weil es fich da 
von felbft verlieht und das nationale Kunftwefen fich von altersher nicht anders 
äufsert und ausfpricht; dieTechnik gewiffenhaftund reinlich, forgfam beendigend, 
in dei harmonifch zufammenftimmenden Haltung, die fich bei der rafchen Ueber- 
fchau ganzer Bilderreihen zeigt, auf eine gevviffe Gleichartigkeit des künftlerifcheu 
Sehens, fowie auf fehr beftimmt fortwirkende locale Schultraditionen hindeutend. 
So ungemein ftattlich der Haupteindruck der holländifchen Male rei fich erwies, 
fo^ wenig trat da verhältnifsmäfsig die einzelne Künfllerperfönlichkeit in ihrer 
Eigenart und in hervorragender individueller Bedeutung heraus. Der Genremaler 
Ifraels, der über das alte Rembrandt’fche Kunfterbe des Helldunkels mehr mit 
voller technifcher Meifterfchaft, als mit einer den Stoff befeelenden Genialität 
verfügt, dominirte mit feinen Bildern die holländifche Ausftellung. Sein Begräb 
nis—der Katalog verzeichnet das Bild mit der Auffchrift: „Durch Finfternifs zum 
Licht“ war wohl darunter das Bedeutendfte. Wir befinden uns in einem fehr 
ärmlichen Hauswefen, aus dem eben der Sarg mit der Leiche des Vaters hinaus 
getragen wird, während die Mutter mit zwei Kleinen trauervoll in der Stube 
zurückbleibt. Der Titel bezeichnet zunächft den Helldunkel Effedt des Bildes, 
den man wohl nachBelieben auch finnbildlich nehmen könnte: aus dem dämmeri 
gen Dunkel der Stube tragen fadtifch die Träger den Sarg hinaus an das Licht, 
das hell durch die offene Tbüre von draufsen hereinfällt. Die Wirkung ift immer 
hin eine treffliche und (timmungsvotle, und wir verlangen und erwarten es auch 
nicht von dem holländifchen Meifter, dafs er über das rein Malerifche der Auf 
faffung hinausgehe, und nach deutfeher Art, wie es eben Knaus und Vautier in fo 
ergreifender Weife gethan, die Darflellung ins pfychologifch Charakterifirende 
hinüberführe. Van Trigt ift unter den Holländern der Einzige, der mit feinem 
„Melanchton“ und der „Predigt des Juflus Jonas vor Johann Friedrich von Sachfen“ 
den hiftorifchen Boden betritt und nach gehaltvolleren Stoffen greift; er thut es 
aber^ auch mit ftarker Betonung der technifchen Wirkung wie denn namentlich 
fein in einem halbdunklen Hörfaale lehrender Melanchton mit den zum Theil nur
	        
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