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Dr. Wilh. Fried. Gintl.
In gleichem Mafse,wie die Reisftärke, beginnt auch die Maisftärke unferen
heimifchen Stärkeforten immer mehr Concurrenz zu machen, und ift die Mais-
ftärke-Fabrikation, die vor wenig Jahren fatl nur in Nordamerika und Bratilien,
wo fie fich vor etwa 30 Jahren eingebürgert und dort feither die Fabrikation von
anderen Stärkeforten völlig verdrängt hat, dann aber auch in Auftralien heimifch
war, neueftens auch am Continente in Aufnahme gekommen, obwohl fie da noch
lange nicht jene Bedeutung gewonnen hat, die fie für gewiffe maisbauende
Länder, namentlich für Ungarn haben könnte.
Bei dem Umftande, dafs, wie J. W i e sn e r durch feine bemerkenswerthen
Unterfuchungen nachgewiefen hat, der Maistlärke ein gröfseres Steifungsvermögen
zukommt als der Weizenftärke, ift fie für Appreturzwecke befondere fchätzens-
werth, und wäre es gewifs der Erwägung werth, ob unfere maisproducirenden
Länder ihr Bodenerträgnifs durch die Verwerthung der Maisfrucht für Stärke-
fabrikation nicht wefentlich zu erhöhen vermöchten.
Eichel- und Kaftanienftärke haben in der Praxis fich nicht eingebür-
gert und dürften fchon wegen der Schwierigkeiten, die fich der fabriksmäfsigen.
Gewinnung eines reinen, namentlich gerbftofffreien Produdles entgegenftellen,
trotz der Billigkeit des Rohmateriales wohl nie eine befondere Bedeutung
erlangen.
Ebenfo ift auch Roggenftärke nur ziemlich feiten in Verwendung.
Dagegen fcheint in neuerer Zeit dieTopioca (Stärke von Manihot utilif-
fima) und die Batatenftärke (Convolvulus batatas), namentlich in England,
auch für technifche Zwecke einige Bedeutung zu gewinnen.
Als eine befondere Specialität von lediglich localer Bedeutung ift endlich
die in Württemberg ziemlich allgemein für Appreturzwecke verwendete D i nk el-
ftäike zu nennen, die aus dem in Württemberg in gröfserem Mafse cultivirten
Spelz (Tricitum spelta) nach Art der Weizenftärke gewonnen wird. Anderwärts
kommt folche Dinkelftärke wohl nur feiten vor.
Die handelsübliche Form, in welcher Stärke zu Markte gebracht wird ift
für die beffeien Qualitäten faft durchwegs die der Strahlenftärke (fälfchlich auch
Starke in Kryftallen genannt); das ift Stärke in Mafien von jener ftänglig-ftrah-
ligen Abfonderung, wie fie fich bei dem Trocknen des nicht völlig kleberfreien
Stärkebreies bildet. Nur hochfeine Sorten werden in Mehlform in den Handel ge-
bracht und nur einzelne Fabrikanten liefern für gewiffe Confumenten, die aufdiefe
Form einen befonderen Werth legen, folche auch in Geftalt von Stäbchen Ge
ringere Stärkeforten, fowie faft allgemein auch die Kartoffelftärke werden in
Form von Brocken in den Handel gebracht.
Ziemlich gewöhnlich werden die fertigen Produfle durch fchwache Nüan-
cirung in Blau geblendet und ift für diefen Zweck Smalte, Berlinerblau und wohl
auch Ultramarin im Gebrauche, wiewohl letzteres, namentlich für nicht völlig
neutrale Waare, keineswegs empfehlenswerth erfcheint.
Auch intenfiver gefärbte Sorten von Stärke kommen vereinzelt noch vor.
Sie find meift mit Anilinfarben tingirt und follen den Zweck haben, bei der
häuslichen Appretur auch gleichzeitig als Färbemittel zu dienen. Offenbar haben,
wie das bei der Schwierigkeit, gleichmäfsige Färbungen damit zu erreichen,
vorauszufehen war, derartige Produae den Erwartungen nicht entfprochen, die
man urfprünglich von denfelben hegte.
Als in humanitärer Beziehung bemerkenswerth ift das Bemühen zu bezeich
nen, mit welchem feit einer Reihe von Jahren namentlich englifche Fabrikanten
einem Präparate Eingang zu verfchaffen fuchen, das den Zweck hat, Geweben
welche mit demfelben appretirt find, die Eigenfchaft der Unentflammbarkeit zu
ertheilen. Bei den nur zu häufig vorkommenden beklagenswerthen Unglücks-
fällen, die dadurch entfliehen, dafs die luftgewobenen modernen Toiletten unferer
Damen bei zufälliger Annäherung an eine Flamme Feuer fangen und fo die nichts
ahnende Trägerin nicht feiten einem fchmerzlichen Krankenlager, wo nicht etwa