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Dr. Wilh. Fried. Gintl.
einen nicht unerheblichen Auffchwung genommen, fowie auch die namentlich von
Almen cultivirte Methode der Dispenfirung von Arzneimitteln durch Herftellung
der Gelatina medicata mehrfach Anwendung findet.
Als befonders bemerkenswerth find die namentlich von Fichtner Söhne
in Atzgersdorf bei Wien mit befonderem Erfolge durchgeführten Verfuche zu
bezeichnen, welche dahin gehen, den Leim zur Herftellung von Horn-, Bein- und
Schildpattimitation zu verwerthen.
Die Herftellung von künftlichem Elfenbein aus Leim hat bekanntlich im
Jahre 1844 zuerft F ra n c h i mit Erfolg unternommen und fpäter, 1857. ift ein für
diefen Zweck brauchbares Verfahren von May all befchrieben worden. Fichtner
hat nun die Idee, Leim für folche Zwecke zu verwerthen, nicht nur auf die Her
ftellung von Schildpatt* etc. ausgedehnt, fondern namentlich den äufserft glück
lichen Gedanken zur Ausführung gebracht, einen in befonderer Weife gehärteten
Leim als ein dem Horn ähnliches Materiale für die Zwecke der Knopffabrikation
zu benützen, und hat fo einer gewifs fehr beachtenswerthen neuen Verwendung
des Leimes Bahn gebrochen.
Wollen wir noch in Kürze den Standpunkt kennzeichnen, auf welchem die
Verwerthung der Nebenprodukte der Leiminduftrie fleht, fo kann in diefer Hin
ficht kein wefentlicher Fortfehritt namhaft gemacht werden.
Nach wie vor werden die Rückftände der Leimfiederei, fofern fie nicht,
was bei der Knochenleim-Gewinnung ziemlich allgemein der Fall ift, ihren Weg
in den Spodiumofen nehmen, lediglich zu Dungzwecken verwendet, und es ift
auch kaum abzufehen, dafs ihnen eine wefentlich andere Verwerthung zu Theil
werden möchte. Die in beftimmten Fällen refultirenden fauren Macerations-
wäffer werden noch gewöhnlich auf Phosphat verarbeitet, und höchftens in Bezug
auf eine rationelle Ausbeutung des Knochenfettes ift infofern ein Fortfchritt zu
verzeichnen, als man fich an vielen Orten Mühe gibt, dasfelbe möglichft voll-
ftändig zu fammeln, es vielfach läutert und namentlich für die Zwecke der Seifen
fiederei anftandslos und felbft für belfere Seifen verwendbar macht. Auch der
im Jahre 1867 von V o h 1 ausgegangene Vorfchlag. die bei der Maceration der
Knochen im Aefcher refultirenden Kalkfeifen auf Fettfäuren zu verarbeiten, ift
nicht ungehört verhallt, und kann die Aufarbeitung derfelben, die fich fchon mehr
fach eingebürgert hat, namentlich da ohne Schwierigkeit platzgreifen, wo auch
fauere Macerationswäffer zur Verfügung flehen.
Gehen wir nach diefer allgemeinen Charakteriftik zur Befprechung deffen
über, was die Ausftellung auf dem Gebiete der Leiminduftrie bot, fo müffen wir
vor Allem conftatiren, dafs diefelbe in quantitativer Beziehung überaus reich ver
treten war. Es hatten aus aller Herren Ländern die Leimfabrikanten fich meift ziem
lich zahlreich betheiligt, und nicht wenige von ihnen brachten auch qualitativ fehr
Lobenswerthes zur Ausftellung. Es dürfte dieft reiche Betheiligung nicht mit Un
recht dahin gedeutet werden können, dafs eine rege Concurrenz unter den Indu-
ftriellen diefer Branche fich geltend macht, und der Einzelne fich mit feinem
Produkte nicht auf den localen Abfatz befchränkt fehen, fondern auch auswärts
Verbindungen anknüpfen will — eine Erfcheinung, die Zeugnifs davon gibt, dafs
fich denn auch auf diefem Induftriegebiete ein regerer Geift geltend zu machen
beginnt.
Die Zahl der Ausfteller einzelner Länder war eine fo grofse, dafs wir dar
auf verzichten müffen, die Leiftungen jedes derfelben in Betracht zu ziehen und
uns begnügen werden, nur bemerkenswerthe Erfcheinungen und qualitativ befon
ders Gutes anzuführen.
Während Nordamerika fich in diefer Branche gar nicht und der Süden
nur durch eine von Brafilien eingefandte Probe von Leim, welcher fich als eine
* Siehe weiter unten bei Oefterreich,