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Johann Stingl.
Bei diefem Verfahren kommt aber der wichtige Faklor zu beriickfichtigen,
dafs hiebei kein, oder beffer gefagt, fehr wenig Theer als Nebenprodukt der
Leuchtgasfabrication fällt.
Die Retorten, in denen die Kohlen bei fchwacher Rothglühhitze deftillirt
werden, find halbkreisförmig, aus Gufseifen und auf die gewöhnliche Art im
Ofen angeordnet. Das Abzugsrohr für Gas und Oeldampf ift kurz und gleich am
hinteren Ende der Retorte, damit der Oeldampf fich nicht rafch condenfiren kann.
Diefe Abzugsrohren münden in eine Vorlage, worin der Theer fich condenfirt und
von wo das Gas durch die Reiniger in den Gafometer geht. Auf diefem Wege
mengt es fich mit jenem Gafe, welches durch Vergafung des früher erhal
tenen Kohlenöles erzeugt wird.
Diefe Oelvergafung gefchieht nun in einem eigenen Apparate, der aus drei
Theilen befteht:
Aus dem Ve r dampf er, das ift einer keffelartigen Retorte, in welche das
Kohlenöl (leichter Theer) aus dem Sammelrefervoir fliefst und den Verdampfer
bis zu einer gewiffen Höhe füllt.
In diefem Gefäfse beginnt bei der niederften Temperatur des ganzen
Apparates, 800 bis 900 Grad Fahrenheit (beiläufig 500 Grad Celfius), die Ver
dampfung des Oeles. Die Oeldämpfe der leichteren Oele fteigen in einem Rohre
nach aufwärts in einen der Feuerung näher gelegenen Verdampfapparat,
der durch eine Zwifchenwand in zwei Abtheilungen getheilt ift und fo die
Dämpfe zwingt, einen gröfserenWeg zurückzulegen. Die Temperatur in diefem
Raume beträgt 1100 Grad Fahrenheit oder 605 Grad Celfius. Die hier fich
bildenden und nicht vergalten fchweren Oele fliefsen an dem unteren Ende
des Apparates durch eine Röhre in den erlten Verdampfer zurück, von wo aus
die fchweren Oele überhaupt an der tieflten Stelle abgelaffen werden können.
Aus diefer zweiten Abtheilung des Vergafungsapparates ftreichen die Gafe
und Dämpfe endlich in den letzten und heifseltenTheil, nämlich in einen Cylin*
der, der mit glühenden Holzkohlen gefüllt ift und von den Feuer-
gafen der Feuerung direkt umfpült wird.
In diefem Apparate findet die vollftändig e Vergafung ftatt und das
erzeugte Gas wird unterhalb der auf einer fiebartigen Scheidewand liegenden
Kohlen durch ein Abzugsrohr in den Condenfator geleitet, wo die nicht ver
gällen Oeldämpfe zurückgehalten werden und von wo das Gas feiner weiteren
Reinigung und Verwendung zugeführt wird. Das condenfirte Oel wird aber
mals in den Deftiilationsapparat zurückgebracht.
Wir felien, dafs das Theeröl den entgegengeletzten Weg der Feuergafe
macht.
Dafs diefer Apparat complicirt und umftändlich bei feiner Ueberwachung
ift, geht aus der Befchreibung hervor.
Die Anfichten über die Vortheile und Rentabilität diefer Methode der
Leuchtgasfabrication find noch fehr getheilt. Jedenfalls fcheinen die Angaben
in dem Profpekte der Ausfteller fehr fanguinifch zu fein, und man müfste ftaunen
über das Verkennen des eigenen Vortheiles feitens der Leuchtgasfabriken, wenn
fie fich gegen diefes Verfahren ablehnend benähmen, vorausgefetzt, dafs die
Angaben, die zu Gunften des E v e 1 e i g h’fchen Verfahrens gemacht werden, fich
in der Praxis bewähren.
Die Herren F. K e a t e s und Profeffor W. O d 1 i n g Hellten auf Veranlaffung
der Patent-Gascompany mehrere Verfuche im Grofsen in den Gasanftalten
zu Bar net und Peckham, wo diefe Methode im Grofsen geübt wird, an, und
gelangten zu folgenden Refultaten * .
Die Quantität und Qualität des bei niedriger Temperatur aus der Gaskohle
direct gewonnenen Gafes( } ,bei einer bei Tage noch fichtbarenKirfchrothhitze“)
Journal für Gasbeleuchtung von Dr. N. H. Schilling, 1873, März, S. 85.