MAK

Volltext: Die Goldschmiedekunst (Arbeiten in Edelmetall und Edelstein), (Gruppe VII, Section 1), officieller Ausstellungs-Bericht

I. 
Silberarbeiten. 
Die edlen Metalle haben als Material der Kunft und der Kunftinduftrie 
eine doppelte Eigenfchaft, einmal die plaftifche und fodann die malerifche. Sie 
find durch ihre Giefsbarkeit, Dehnbarkeit, Zähigkeit, durch ihre Fähigkeit, das 
höchfte und zartefte Relief in feinfter und vollendetfler Ausführung anzunehmen, 
in eminentem Sinne zur Plaftik geeignet; ebenfo aber wirken fie durch die Farbe, 
fowohl durch diejenige, welche ihnen eigenthümlich ift, wie durch diejenige, 
welche fie, fei es durch Veränderung, fei es durch Hinzufügung, anzunehmen 
geeignet find. Wir haben daher auch die Silberarbeiten von diefen zwei Seiten 
zu betrachten, in Bezug auf die Form, wie in Bezug auf die coloriftifche, 
Behandlung der Oberfläche, kurz gefagt, in Bezug auf die Farbe. Von erfterer 
reden wir zunächft. 
Formelle Behandlung und Geftaltung der Silberarbeiten. 
Es läfst fleh nicht leugnen, dafs in beiden Beziehungen, in Bezug auf Form 
wie Farbe, die Silberarbeiten im XIX. Jahrhundert auf einen fehr niedrigen Stand 
punkt herabgekoirimen waren. Was zuerft die Form betrifft, fo ift die Gefchichte 
ihrer Veränderung und Umbildung feit dem XVI. Jahrhundert als ein fortwähren 
der Rückgang, als eine ununterbrochene Verfchlechterung zu betrachten. Die 
wohl abgewogenen Gefäfsformen der Renaiflance, die guten Verhältniffe, die 
edlen Contouren, die feine und reiche wechfelvolle Gliederung, die getriebene 
Verzierung fowohl im Ornament wie in den Figuren, die niemals die Linien des 
Contours zerftört, fondern nur den Schwung derfelben erhöht oder fleh unter 
ordnet und in den Rhythmus einfügt — alle diefe unfehätzbaren und zur Schön 
heit fo nothwendigen Eigenfchaften gingen fchon bis zum Ausgange des XVII. 
Jahrhunderts verloren. Diefes Jahrhundert hatte fleh namentlich bei den gröfseren 
Gefäfsen noch eine gewiffe derbe Gefundheit bewahrt, wenn auch Feinheit und 
Reichthum entwichen waren; das XVIII. Jahrhundert aber, das im Geifte des 
Rococo felbfl der Symmetrie abhold war, fetzte die gröfste Willkür an die Stelle. 
Unter den unregelmäfsigen, gefchwungenen und ausgefchweiften Linien, welche 
nicht mehr geflatteten, dafs eine Seite der anderen glich, ging unter, was noch 
Gutes aus der Renaiffance übrig war. 
Der Willkür und der launenhaften Geftaltung wurde freilich am Ausgang 
des XVIII. Jahrhunderts wieder ein Ende gemacht, aber was ftatt deflen kam, die 
nüchternen, fteifen, reiz- und phantaflelofen Formen, welche der antikiflrende 
Gefchmack einführte, war um nichts beffer. Die Imitation der Antike, die dazu 
noch eine falfch verftandene war, löfchte nur die freie Schöpferkraft aus. Als 
nach dem Sturz des Empire auch diefer Gefchmack wieder befeitigt wurde, da 
war es eigentlich mit der Goldfchmiedekunft fchon gänzlich am Ende : der For- 
menflnn verloren, die Erfindung verfliegt, alle feinere Technik aus der Uebung 
gekommen und in Vergeffenheit gerathen. Aus der ganzen Zeit vom zweiten 
Jahrzehent diefes Jahrhunderts bis auf die Erhebung des Gefchmacks in unferen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.